Titel: „Tausend Mal berührt“
Autor: April_Eagle_Wilcox
Thema: Saber Rider and the Starsheriffs / Seijushi Bismarck
Genre: Sci-Fi / Western / Romance / Drama /
Alterskennzeichnung: P18
Credits: Alle Charaktere, Orte und Institutionen gehören Studio Pierrot und WEP. Deutscher Lizenzhalter ist der Herausgeber war Anime House. Die Rechte liegen jetzt bei Crunchyroll.
Kapitel 1:
Tausend Teile
„Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir beginnen nun mit dem Landeanflug auf das Kavallerie-Oberkommando Hauptquartier in Yuma-City. Bitte schnallen Sie sich an, stellen Sie Ihre Sitze aufrecht und klappen Sie die Tische hoch. In Yuma City erwarten uns strahlender Sonnenschein und angenehme 24 Grad. Bitte bleiben Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit nach der Landung noch so lange angeschnallt sitzen, bis wir unsere endgültige Parkposition erreicht haben und die Anschnallzeichen über Ihnen erloschen sind. Wir bedanken uns herzlich bei Ihnen, dass Sie mit „Ramrod-Airlines“ geflogen sind und hoffen Sie bald wieder auf einem unserer Flüge begrüßen zu dürfen. Wir wünschen Ihnen noch einen wunderschönen Tag“, witzelte Fireball während er die Landung vorbereitete und die Steuerung vom Autopiloten wieder selbst übernahm.
Saber grinste nur und schüttelte den Kopf, als er in seiner Satteleinheit platz nahm, seinen Helm aufsetzte und den Sicherheitsgurt anlegte. Die ausgelassene Stimmung nach erfolgreicher Mission war aber doch auch angebracht. Sie waren mehrere Wochen auf Mission gewesen. Zwar war der Krieg nun schon fast zwei Jahre vorbei und der Outriderplanet zerstört worden, aber überall im Neuen Grenzland waren noch vereinzelt Outridergruppen unterwegs, welche nicht mit dem Planeten untergegangen waren. Und diese Schurken trieben immer mal wieder Unheil. Es wurde zwar deutlich ruhiger, aber noch konnten sich die Star Sheriffs nicht ganz zurücklehnen und mussten immer wieder „aufräumen“ und wurden zu einzelnen Einsätzen wieder zusammengetrommelt, wenn sich der Feind zum Vorschein kam und ein Renegade angriff.
„Ja! Ich kann es kaum erwarten, wieder nach Yuma zu kommen! Gib Gummi Kumpel!“, antwortete Colt ganz ungeduldig und schnallte sich ebenfalls an.
„Du willst nur schnell zu deiner Robin kommen…!“, kommentierte Fireball trocken, während Ramrod in die Atmosphäre von Yuma eintrat und dadurch etwas durchgeschüttelt wurde.
„Tja will ich - dein Service hier oben lässt nämlich ganz schön zu wünschen übrig, werter Mr. Hikari. Heute gabs weder Tomatensaft noch die leckeren Erdnüsschen. Da werd ich zu Hause besser versorgt“, entgegnete der Cowboy direkt.
„Sorry Cowboy - Du hast Holzklasse gebucht, nicht Business!“, konterte der Rennfahrer schnell. „WAS?! Ich doch nicht!“ kam es sofort protestierend aus der Satteleinheit neben ihm. „Ich bin VIP!“ stellte er schnell klar.
Auch April musste schmunzeln, die gerade damit beschäftigt war, Fireball den richtigen Korridor zu berechnen und in sein Modul zu übertragen. Aber dennoch ging ihr das Geplänkel ihrer Kollegen ins Ohr. Sie war ganz froh darüber, dass es während der Arbeit so weit funktionierte und sie nicht groß Zeit hatte, an Privates zu denken, denn das war aktuell alles andere als leicht.
Nachts, wenn sie alle zur Ruhe kamen, war es da schon anders. Wie dankbar war der weibliche Star Sheriff, da ein Einzelzimmer zu haben.
Vor etwa 8 Monaten hatten sich April und Fireball getrennt. Eher unschön - und das hing beiden auch noch nach.
Seit sie wieder einberufen wurden, versuchten beide professionell ihrer Arbeit nachzugehen, aber das war nicht immer leicht. Vor allem die ersten Wochen waren verdammt hart gewesen. Auch für Colt und Saber nicht immer.
Aber sie mussten im Einsatz funktionieren! Es ging hier um Leben und Tod. Für sich selbst, für das Team und für die Einwohner im Neuen Grenzland, die sich auf sie verließen.
Eigentlich hatte April gehofft, ihren Ex nicht mehr so schnell wiedersehen zu müssen. Es hatte gereicht, dass er ihr immer mal wieder in den Medien begegnet war, da der Pilot zurück zum Rennzirkus gegangen war und die junge Wissenschaftlerin ihre eigene Karriere etwas auf Eis gelegt hatte, um ihren Freund dabei zu unterstützen. Daher hatte sie der erneute Einberufungsbefehl hart getroffen. Wie sollte es nur funktionieren, ihm wieder gegenüber zu stehen und dann auch noch Hand in Hand arbeiten zu müssen? Sie wusste es nicht.
Aber da sie alle einen Schwur abgelegt hatten, das Neue Grenzland zu verteidigen und somit auch Colt und Fireball zu den Reservisten zählten, die im Notfall einrücken mussten, trafen sie schneller aufeinander als ihnen beiden lieb war.
Aber nun kam Yuma immer näher und aktuell waren Ihnen keine weiteren Outrider-Sichtungen gemeldet worden. Commander Eagle hatte den Befehl gegeben, dass sie auf direktem Weg zum Oberkommando kommen sollten. Hoffentlich wurden sie wieder freigestellt, wenn auch nur für eine gewisse Zeit. April war der eigentlich doch so große Ramrod, diesmal gefühlt sehr viel kleiner vorgekommen und sie war froh, hier bald rauszukommen. Vermutlich ging es Fireball da nicht anders.
Endlich - sie landeten. Fireball setzte den Friedenswächter sanft auf und steuerte ihn dann in Richtung seiner Parkposition. „Feierabend Leute!“ streckte sich Colt und gähnte lauthals.
„Nicht ganz mein Freund. Wir sollen noch zu Eagle!“, erklärte Saber, während sich auch Fireball und April aus ihren Sitzen erhoben.
„Oh ha - hat man hier nicht mal Zeit zum Duschen und Umziehen?!“, grummelte Fireball etwas vor sich hin.
„Daddy wird schon einen Grund haben - vielleicht ist es etwas Wichtiges“, erwiderte April direkt, als sich ihre Blicke trafen. Sofort wandte die junge Französin den Kopf, um den Rennfahrer nicht weiter ansehen zu müssen. „Ist ja schon gut!“, motzte dieser und tat es ihr gleich.
Saber seufzte nur und sah zu seinem Scharfschützen, der ebenfalls überfordert war und nur mit den Schultern zuckte. Auch er stand zwischen den Stühlen.
Der Schotte war froh, dass die Beiden sich die letzten Wochen wirklich am Riemen gerissen und die Mission und das Team nicht in Gefahr gebracht hatten. Das musste er wirklich anerkennen. Aber die Stimmung war deutlich anders als früher und es lag fast permanent eine Spannung in der Luft. Das war genau das, was er immer befürchtet hatte, als sich zwischen seinem Piloten und seiner Navigatorin Gefühle entwickelten. Ihm wurde wieder bewusst, warum es nicht gern gesehen war, wenn innerhalb eines Teams eine Beziehung entstand.
Auch er würde drei Kreuze machen, wenn dieser Tag geschafft war und er zu seiner Verlobten Sincia konnte. Aber auch hier stand noch Arbeit an. Die Hochzeit der beiden stand in zwei Monaten an und es musste noch einiges fertig organisiert und geplant werden.
Saber versuchte die Situation zu nutzen. „Komm schon Fire - je schneller wir bei Eagle waren, um so schneller gibt's Feierabend und die ersehnte Dusche!“, klopfte er dem Japaner auf die Schulter und zog ihn sanft mit sich. „Ja, du hast ja Recht, Boss!", musste dieser zugestehen und ging mit seinem Anführer in Richtung Rampe. Colt und April folgten den Beiden.
Auf dem Weg über den Flugplatz ins Hauptgebäude und Richtung der Aufzüge lockerte sich die Stimmung der Vier doch etwas. „Robin hat mir vorgestern noch geschrieben, dass ihr Brautjungfernkleid angekommen ist. Du wirst stauen Cowboy“, lächelte April Colt vielsagend an. „Was! Dir hat sie es gezeigt und mir nicht?!“, schob er die Unterlippe etwas vor. „Wir waren doch zusammen shoppen!“, erinnerte sie ihren Kollegen, dem es dann auch wieder einfiel. „Ja, ich wurde verschont!“. Er war immer noch erleichtert. Da war es mit einem Männeranzug schon einfacher. Aber dafür schmückten die hübschen Ladies, auch jedes Fest musste er gestehen.
„Ich hab gestern ein paar Mal versucht sie zu erreichen - scheinbar schwer beschäftigt mein Weibi“, erzählte der Scharfschütze. „Vielleicht düse ich nachher gleich los und überrasche sie zum Frühstück. Die wird Augen machen“, sprach er seinen Plan euphorisch aus und malte sich bereits ihr verblüfftes Gesicht aus, während sie aus dem Fahrstuhl stiegen und auf das Büro ihres Vorgesetzten zusteuerten. „Oh, da wird sie sich bestimmt freuen“, nickte April ihrem Kollegen zu und freute sich schon für ihre Freundin. „Bestell ihr liebe Grüße - der Beauty-Termin steht!", fügte sie hinzu, als sie ankamen.
Saber klopfte kurz, bis die Sekretärin sie ins Vorzimmer bat.
„Einen wunderschönen Nachmittag verehrte Miss Miller“, trällerte der Cowboy. „Oh, Sie waren beim Friseur - chic Miss Miller und das Kleid ist doch auch neu!", ließ Colt mal wieder seinen Charme spielen und grinste über den Schreibtisch. Er hatte einfach gute Laune.
Etwas verlegen lächelte die Chefsekretärin dem vorlauten Scharfschützen des Ramrod-Teams an. Eigentlich war ihr gerade gar nicht zum Lächeln, denn im Gegensatz zum Team hatte sie bereits die Nachricht mitbekommen. Daher fiel es ihr gerade doppelt schwer.
„Na, na! Lass das nicht deine Freundin hören, Colt! "Bei ihr fällt dir sowas ja nie auf!“, flachste Fireball grinsend. „Die zieht dir die Ohren von hier bis nach Tranquility!“
„Ach meine Robin sieht immer toll aus. Die hat den Friseur doch gar nicht nötig!“, klärte Colt seinen Kameraden auf, der ihn nur weiter an grinste. Dann wandte sich Fireball zu Miss Miller: „Aber Recht hat er - steht Ihnen wirklich gut!“, versuchte er die Situation zu retten, während die Angesprochene sich bei den Männer für die Komplimente leicht verlegen bedankte.
„Das mit der Freundin hat dich doch auch nicht gestört“, konnte April sich den Kommentar in Richtung ihres Ex nicht verkneifen, woraufhin Fireball getroffen den Kopf etwas einzog. Das hatte gesessen und er konnte es ihr eigentlich auch nicht verübeln.
„Es ist gut jetzt Leute!“, mahnte Saber sein Team, bevor es hier weiter ausartete. Ihm war der doch ernste Blick von Miss Miller nicht entgangen und das gefiel ihm gerade überhaupt nicht. Irgendwas war anders als sonst. Angespannt.
Dankbar, dass Saber die Zügel in die Hand nahm, nickte sie ihm zu. „Gehen Sie gleich durch. Der Commander erwartet Sie bereits“, informierte sie das Ramrod Team und sah den Vieren nach, bis sie im Büro verschwunden waren. Gleich würde die Unbeschwertheit vorbei sein.
Sie wollte nicht mit dem Commander tauschen müssen.
„Daddy!“, begrüßte April ihren Vater in ihrer typischen Art und umarmte ihn. Der Commander erwiderte die Geste und doch war sie heute ein klein bisschen anders als sonst. Auch April spürte das und drückte ihn ein wenig fester.
Saber beobachtete die Szenerie und vor allem das Gesicht seines Vorgesetzten. Auch hier las er Anspannung. Warum wusste er nicht, aber er bekam ein beklemmendes Gefühl.
„Ich bin froh, dass ihr alle wieder wohlbehalten zurück seid“, sprach er zu seinem Team. „Nehmt bitte Platz", sprach er recht reserviert. Innerlich versuchte er gerade, seine Gedanken zu sortieren, während er sich zu ihnen setzte. Es war nicht das erste Mal, dass er so eine Botschaft überbringen musste. Aber diesmal war es auch für ihn näher, persönlicher. Nach all der Zeit waren auch die männlichen Mitglieder des Teams ihm sehr ans Herz gewachsen und er hatte eine besondere, fast väterliche Verbindung zu ihnen. Daher fiel es ihm heute besonders schwer. Er hatte bereits in den letzten Stunden mehrfach versucht, sich die passenden Worte zurechtzulegen. Aber gab es diese in so einer schrecklichen Situation überhaupt? Der Commander hatte lange überlegt, ob es besser wäre, ihnen zusammen die Nachricht zu überbringen oder der betroffenen Person einzeln. Letztendlich hatte er sich für das Team entschieden. Zusammen waren sie stark und hatten bisher jede Krise gemeistert. Sie gaben einander Halt und Kraft. Und das war das, was sie jetzt brauchen. Für alle Fälle hat er aber auch den Psychologischen Dienst informiert. Sie standen auf Abruf bereit.
Er blickte von einem Star Sheriff zum anderen, bis sein Blick schließlich auf Colt ruhte. Der Commander schluckte noch einmal und holte Luft. „Ich habe Euch zu mir gebeten, weil ich Euch etwas mitteilen muss“, begann er mit sanfter, aber doch leicht belegter Stimme.
Irgendetwas war in seiner Stimme, so dass alle Vier sofort begriffen, dass es ernst war und sahen den Franzosen wortlos an.
„Wie ihr selbst am besten wisst, sind leider überall im Neuen Grenzland noch vereinzelt Outridergruppen vertreten, die ihr Unheil anrichten“, begann Commander Eagle sachlich.
„Wir versuchen bei jedem Notruf sofort Hilfe zu entsenden“, fuhr er weiter fort. „Aber leider gelingt es uns hierbei nicht immer rechtzeitig vor Ort zu sein“. Er machte eine Pause und überdachte seine nächsten Worte exakt. Sein Blick traf den von Colt und sah ihm direkt in die Augen. Er zog die Augenbrauen hoch und sah den Commander fragend an, während dieser kurz schwieg und durchatmete.
Colt fühlte sofort einen kalten Schauer, der ihn erfasste und quälend langsam von unten her über seinen Rücken lief. Er war nicht umsonst einer der besten Scouts, wenn ihn hier seine Antennen im Stich lassen würden.
April hatte ihren Vater selten so ernst gesehen und auch in ihr zog sich gerade alles innerlich zusammen. Ihr war der direkte Blick ihres Vaters zu Colt nicht entgangen. Fireball und Saber erging es ähnlich. Keiner wagte ein Wort zu sagen.
„Wir haben einen Notruf aus Tranquility erhalten, Colt", richtete nun Commander Eagle sein Wort direkt an den Texaner. Dessen schlimmster Albtraum wurde wahr. Ein Ruck ging durch den Cowboy und seine Freunde: „Wir müssen sofort hin!“ sprang er abrupt auf, als ihn sein Kommandant wieder bat, sich hinzusetzen. Er musste ihm noch mehr beibringen.
„Mehrere Einheiten aus Yuma, aber auch näher gelegenen Stützpunkte sind sofort aufgebrochen. Aber…“ Er machte nochmals eine kurze Pause „…. es tut mir aufrichtig leid Colt. Aber wir konnten Robin nur noch tot bergen…" Mit diesen Worten senkte er den Blick. Allen vieren stockte der Atem.
„Nein!…“, war alles, was Colt über die Lippen brachte. Er musste sich gerade verhört haben. Das war doch alles nur ein schlechter Witz. April, die neben dem Cowboy saß, legte reflexartig ihre Hand auf die seine und drückte sie leicht, während ihr die Tränen in die Augen schossen. Deshalb hatte Colt sie nicht erreichen können. Wie versteinert saß der Amerikaner da und rührte sich nicht. Die Welt blieb in diesem Moment stehen und es zog ihm regelrecht den Boden unter den Füßen weg.
Saber: „Ist diese Information sicher Commander?“ versuchte Saber irgendwie einen klaren Gedanken zu fassen und hoffte, dass diese Mitteilung falsch oder verfrüht gewesen war.
„Leider ja Saber. Sie ist überprüft und bestätigt“, sprach der Vorgesetzte traurig.
Plötzlich sprang Colt auf und stürmte in Richtung Tür „Wir müssen sofort hin!“
„COLT!“ kam es von den übrigen Vier wie im Chor.
Fireball eilte seinem Kumpel hinterher und holte ihn ein: „Warte Kumpel!“ griff er nach ihm, wobei sich Colt sofort versuchte, dem Griff zu entziehen.
„Ich warte nicht! Dann flieg ich halt allein!“ kam etwas barsch und fast enttäuscht von ihm. Warum verstand er nicht, dass er keine Zeit verlieren durfte. Mit Sicherheit hatte man Robin nur verwechselt.
„Nein, so meine ich das nicht - lass uns alles hören, was der Commander zu sagen hat. Dann brechen wir auf!“ Auch Saber war Fireball zur Seite geeilt und so schoben sie Colt sanft aber bestimmt zurück auf seinen Sitzplatz, wobei sich Fireball neben seinen Freund setzte und seine Hand auf seiner Schulter ruhte.
„Commander?“, richtete Saber sein Wort an den Vorgesetzten, der die Reaktionen des Scharfschützen nur zu gut verstehen konnte. Er erinnerte sich kurz daran, wie es ihm selbst ergangen war, als er über den Tod seiner Frau damals informiert worden war. In diesem Moment kann man nichts glauben, wahrhaben oder verstehen. Er wollte Colt zumindest das berichten, was er wusste.
„Die Schule wurde angegriffen“, begann dieser weiterzuerzählen. „Soweit man mir berichtete, hatten sich Robin und einige Dorfbewohner mit den Kindern darin verbarrikadiert. Leider konnten unsere Feinde eindringen. Der Texaner saß völlig regungslos da und die Worte des Commanders drangen wie aus weiter Entfernung in sein Ohr. „Colt, …. Robin… Sie hat die Kinder gerettet. Sie ist eine wahre Heldin. Sie hat sich als Schutzschild vor die Schüler gestellt …“.
Saber und Fireball lauschten den Worten des Commanders mit Entsetzen.
April schlug sich die Hand vor den Mund, um das Aufschluchzen zu ersticken. Sie war vollkommen ergriffen, vom Tod der Verlobten des Cowboys und inzwischen eine enge Freundin geworden war.
Colt ballte seine Fäuste und diese zitterten vor Anspannung und Wut. Er schwor sich gerade, wenn es wirklich seine Robin war - er würde sie rächen. Er würde die Outrider mit bloßen Händen den Garaus machen. Erst nahmen ihn diese elendigen Bastarde seine Eltern und nun noch die Frau, die er liebte. Er würde sie jagen und jeden Einzelnen von ihnen zur Strecke bringen! Er malte mit dem Kiefer, während die Wut immer mehr wurde.
Er sah sie vor seinem inneren Auge. Diese wunderschöne Frau, ihre glänzenden blauen Augen, das seidige blonde Haar, die Lippen, die er nie wieder küssen können würde. Er würde ihr Lächeln nie wieder sehen, ihren Duft nie wieder einsaugen und sie nie wieder in seinen Armen halten dürfen. Es war so grausam.
„Was ist mit Josh!?“ entfuhr es Colt plötzlich.
„Mein Gott, ja der Junge!“ kam es auch sofort von April und sah fast schon flehend nach positiver Nachricht zu ihrem Vater.
„Joshua ist in Sicherheit“, beantwortete der Commander und vernahm, wie alle vier erleichtert ausatmeten. „Er liegt im Krankenhaus in der nächstgrößeren Stadt New Sacramento. Er hat „nur“ einen Streifschuss und leichte Schrammen davon getragen, wie die Ärzte sagen“, informierte er das Ramrod-Team. „Er ist außer Lebensgefahr!“
„Ich muss sofort zu ihm“, entgegnete Colt.
„Selbstverständlich Colt, du hast meine vollste Unterstützung“, sprach der Commander väterlich. „Und der Junge auch “.
„Ramrod wird in diesen Minuten aufgetankt und neu beladen. Ihr könnt in einer Stunde starten“. Eagle hatte sich natürlich gedacht, dass Colt sofort nach Tranquility wollte und nicht aufzuhalten war. Er wollte Colt zwar auch das Angebot eines Seelsorgers machen, aber er kannte den Texaner inzwischen so gut, dass dieser keine Ruhe hätte, wenn er nicht zuerst vor Ort gewesen war. Das Angebot blieb bestehen, wenn er wieder zurück war. Daher hatte er im Vorfeld alles in die Wege geleitet, damit ein schneller Start von Ramrod möglich war. Die Ärzte im Krankenhaus hatte er ebenfalls informieren lassen.
„Danke Sir!“, nickte der Scharfschütze dankbar und erhob sich erneut. Diesmal taten es ihm seine Kameraden gleich. „Mein aufrichtiges Beileid mein Junge“, hielt der Commander Colt die Hand entgegen, die er annahm und eine kleine Weile hielt, ehe er sich schweigend umdrehte, in Richtung Tür ging.
Saber und Fireball verabschiedeten sich vom Vorgesetzten und schlossen zum Cowboy auf.
„Auf Wiedersehen Daddy“, verabschiedete sich April von ihrem Vater, der sie kurz zu sich zog und ihr einen Kuss auf die Stirn gab, ehe er sie ansah und ihr mit dem Daumen vorsichtig eine der Tränen aus dem Gesicht wischte In solchen Momenten wurde einem bewusst, wie schnell man eine geliebte Person verlieren konnte. „Passt auf Euch auf“. April nickte und drückte ihren Vater nochmals, ehe sie sich aus der Umarmung löste und ihren Kollegen hinterher eilte.
Weder Saber, Fireball noch April wussten gerade was sie sagen sollten. Jedes Wort schien nicht das Richtige zu sein. Sie waren selbst geschockt und sprachlos. Da auch Colt keinen Laut von sich gab, war sowohl die restliche Zeit auf Yuma, noch der Start wortlos verlaufen.
Eine Schwere lag in der Luft, den die Vier noch nie erlebt hatten. Jeder war überfordert.
Immer wieder blickten die 3 übrigen Star Sheriffs zu Colt. Jeder machte sich Sorgen. Sie wollten für ihn da sein, aber wie? Wie ging man mit so einem Todesfall um? Wie mit dem besten Freund, der gerade das Wichtigste im Leben verloren hat und es selbst noch nicht verstand? Dazu die Gedanken auch an den kleinen Josh. Das Kind war sowieso schon Vollwaise. Nun hatte er die einzige Familie verloren, die er noch hatte. Seine Bezugsperson. Es war so grausam.
Alles was Fireball tun konnte war: Gas geben. Und das tat er auch. Er holte aus Ramrod heraus, was möglich war. Saber versuchte die Informationen und Daten, die ihnen eingespielt wurden, zu durchforsten und einzuordnen.
Vielleicht mussten sie auch damit rechnen, dass vielleicht einige der Outrider noch in der Gegend waren. Sie durften auf keinen Fall jetzt in der Trauer leichtsinnig sein.
April hatte den schnellsten Weg berechnet und Fireball in die Konsole übertragen. Aber sie fühlte sich sonst so hilflos und wie gelähmt. Auch sie blickte immer wieder über ihre linke Schulter hinweg zu Colt. Dieser regte sich seit dem Start kein Stück. Starr blickte er nach draußen ins dunkle All. Die Kiefer waren fest aufeinander gepresst und seine Fäuste geballt auf den Oberschenkeln. Er war tief in seinen Gedanken und überhaupt nicht wirklich anwesend.
Verdammt, warum waren sie nicht einen Tag eher zurück gekommen?!
Eine Stunde um die andere verging. Wenn auch zäh wie Gummi. April hatte in der Zwischenzeit schnell ein paar Sandwiches gemacht, aber Colt erhob sich nicht aus seiner Satteleinheit, als sie die Jungs zum Essen rief. Er hatte keinen Hunger und starrte einfach nur so vor sich hin.
Langsam machten sie sich Sorgen, während die drei in der Küche einen kleinen Happen aßen. Viel Hunger hatte keiner, aber sie mussten ja etwas essen, um konzentriert arbeiten zu können. Und das galt auch für den Cowboy.
„Ich hol ihn jetzt!“, sprach Saber schließlich und war im Begriff aufzustehen. „Lass mal Sabre!", fiel im April ins Wort. „Ich bring ihm einen Teller. Vielleicht möchte er lieber etwas alleine sein“.
„Hmmm, vielleicht hast du recht - ich fühl mich nur so…..“ Saber suchte nach den richtigen Worten.
„Hilflos..?“ fragte der weibliche Star Sheriff nach. „Ja…. Genau…“ antwortete er ihr nickend und überlegte, während April ein Tablett hervor zog, Teller und Besteck auflegte und den Teller füllte. Dazu noch ein Glas Guavensaft. „Mir gehts genauso“.
„Wir können nur für ihn da sein“, sprach Saber schließlich weiter und Fireball nickte zustimmend:„Ich glaube, er muss es erst selbst sehen“.
„Ja, das fürchte ich auch - ich kann es ja selbst noch nicht begreifen. Er wird erst später zusammenbrechen. Und dann müssen wir für ihn da sein“.
„Selbstverständlich“, kam es im Chor von April und Fireball, die überrascht waren, dass sie sich seit langem mal wieder einig waren und sahen sich gegenseitig an.
Nach ein paar Sekunden unterbrach April den Blickkontakt und erhob sich mit dem Tablett. „Vielleicht nimmt er was an“, sprach sie ihre Gedanken aus und ließ die Jungs allein.
Wie still es auf der Brücke war. Mal ein vereinzeltes leises Signal von Ramrod, neben dem monotonen Fluggeräusch. Aber sonst war es still. Dazu war das Licht gedimmt und nur die Beleuchtung der Konsolen und Tastatur war an.
April kam der Satteleinheit des Scharfschützen näher und versuchte erst zu erspähen, ob er wach war oder vielleicht eingeschlafen. Nein, er war wach und saß noch in der gleichen Haltung, wie vor 40 Minuten.
Kurz bevor sie ankam, ertönte plötzlich: „Danke April, aber ich hab keinen Hunger…“
Trotz der Ausnahmesituation waren Colts Sinne scharf wie immer und er hatte sie erkannt, bevor er sie hatte sehen können.
„Du erstaunst mich immer wieder Cowboy“, kam sie aus dem toten Winkel und neben Colt zum stehen und lächelte ihn schwach an. „Was hat mich verraten?“
Colt drehte den Kopf und sah seine Kollegin an. Sein Lächeln missglückte ihm verständlicherweise gerade und auch sein Blick wirkte leer und gebrochen. Allerdings antwortete er ihr: „Ich höre es an deinem Gang, die Art, wie du dich bewegst“, erklärte er ihr, „und manchmal am Duft“.
April antwortete mit einem verstehenden Nicken und platzierte das Tablett neben die Statteleinheit und setzte sich daneben.
Colt blickte wieder zurück ins All und April tat es ihm gleich. Eine Weile saßen sie einfach nur schweigend nebeneinander und beobachteten die Sternformationen vor sich. Worte fielen April nicht wirklich ein. Aber vielleicht tat es dem Cowboy auch einfach nur gut, dass er nicht allein war.
Irgendwann bewegte sich unerwartet seine Hand und er streckte sie wortlos in Richtung Tablett aus.
Erleichtert, dass er doch etwas tat, um bei Kräften zu bleiben, hob sie den Teller an und reichte ihn Colt hinüber, der sich ein Sandwich schnappte und eher lustlos als mit Appetit hineinbiss.hinein biss. Auch wenn er keinen Hunger hatte, tat es doch seinem Körper gut. Schweigend reichte die junge Frau ihm sein Lieblingsgetränk, welches er auch annahm.
So verging eine weitere halbe Stunde in Stille.
“Wie lange noch?“, durchschnitt Colt mit der Frage das Schweigen. April reckte den Kopf und schielte etwas in Fireballs Konsole. „Knapp 2 ½ Stunden noch“, erhielt er zur Antwort und nickte. „Leg dich doch noch etwas hin, hm? Wir holen dich, wenn wir zur Landung ansetzen“, schlug sie ihm vor.
Erst hatte er den Impuls verspürt, zu widersprechen, doch dann sehnte er sich auch nach einem Moment der Stille für sich allein. Er erhob sich. "Danke, April... auch dafür, dass du geschwiegen hast...", sagte er, während er mit seinem Guavensaft von der Brücke ging. Sie beobachtete ihn schweigend, während er davonschritt.
Colt steuerte direkt das Gemeinschaftszimmer an, streifte sich die Stiefel von den Füßen und ließ sich schwer auf seine Matratze fallen. Für eine Weile lag er einfach regungslos da, bis plötzlich mehrere Pieptöne sein Ohr erreichten. Er richtete sich abrupt auf und lauschte. Hastig griff er nach seinem Com und entriegelte den Bildschirm.
»Robin!«, rief er aus. Verschiedene Anrufe und Nachrichten wurden angezeigt. Sein Herz begann wild zu pochen, während ihm gleichzeitig heiß und kalt wurde.
Er öffnete die Nachrichten, obwohl er anfangs noch gehofft hatte, dass sie aktuell waren, wurde ihm schnell klar, dass sie von vorgestern und gestern stammten. Ein Zittern durchlief ihn.
Mit fahrigen Fingern scrollte er durch die Nachrichten, während sie ihm die Kehle immer mehr zuschnürten. Robin und Josh hatten ihn verzweifelt versucht zu erreichen. Mit jeder weiteren Nachricht spürte und vor allem hörte er die immer größer werdende Angst und Verzweiflung seiner Liebsten. Die Panik in ihren Stimmen, die nach ihm riefen, zerrissen ihm sein Herz. Er versuchte einzuatmen, doch es wollte nicht gelingen. Heiße Tränen stiegen in ihm auf. Seine Gedanken waren nur fetzen, sein Atmen sackte immer wieder ab. Sie hatten ihm vertraut, auf Hilfe gehofft und er hatte sie nicht beschützt, Schuldgefühle stiegen auf.
Die Verzweiflung, Wut und Trauer mischten sich in seinem Inneren zu einem bitteren Cocktail der Hilflosigkeit. Was sollte er jetzt noch tun, er konnte nichts mehr tun! Streng fuhr er sich durch seine mittlerweile verschwitzten Locken. Er wollte schreien, doch nichts kam aus seiner Kehle, sein Hals und Brustraum waren zu eng, dass alle Kraft dazu fehlte.
„COLT WO BIST DU?!“, wiederholte sich die angstvolle, verzweifelte, unter Tränen aufgelöste Nachricht von Joshua. Colts tränen verklärter Blick fiel auf die Absendezeit und er spielte die letzte nachricht des Jungen ab:
„ROBIN IST TOT! DU HAST VERSPROCHEN UNS ZU BESCHÜTZEN!“. In diesem Moment schmiss er wutentbrannt das Comgerät gegen die nächste Wand, wo es zerbrach. Schwer atmend betrachtete er die Einzelteile seines Kommunikators, sein Atmen ging schwer, kalter Schweiß lief ihm über sein Gesicht, der sich mit seinen Tränen mischte. “Warum?” brach er zusammen und ließ seinen Tränen freien Lauf, ihm war es egal, ob die anderen ihn hören konnten, sein Herz würde platzen, wenn er es jetzt nicht abließ, sein Atmen brannte wie Feuer. Die Schuldgefühle fraßen ihn auf.
Fireball lehnte neben der Tür des Gemeinschaftszimmers und hörte seinen besten Freund, der gerade seiner Trauer freien Lauf ließ und so wie es sich anhörte auch kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Doch er ließ seinem bestem Freund diese Zeit.
"Ja ist es denn die Possibility?!" 😉
Irgendwann war es still im Zimmer geworden. Fireball stand immer noch mit geschlossenen Augen an die Wand gelehnt und lauschte immer wieder nach innen. Er konnte nur annähernd erahnen, wie sich sein Kumpel sich gerade fühlte.
Er wusste nur, dass er da sein wollte, sollte Colt ihn brauchen.
Nachdem Fireball einige Augenblicke lang tief durchgeatmet hatte, öffnete er die Tür vorsichtig. Eine unheimliche Stille umgab ihn, als er den Raum betrat. Sein Herz schlug schnell, während er den Blick über die Einzelteile des Kommunikators am Boden schweifen ließ. Mit langsamen Schritten näherte er sich dem Stockbett, als er einen besorgten Blick in das Bett warf, in dem Colt völlig erschöpft schlief. Fireballs Herz zog sich zusammen bei dem Anblick seines Freundes in diesem Zustand. Er nahm die Decke am Fußende und breitete sie über Colt aus, um ihn vor dem Auskühlen zu schützen. Er sollte schlafen und nicht wegen sowas wie Kälte wach werden. Daraufhin hob er leise die Einzelteile des Kommunikators auf. Er war voller Gedanken und Emotionen über das, was geschehen war und was noch kommen würde.
April kehrte bedrückt in die Bordküche zurück. In der Saber, mit einem Tablet vor sich saß, tief versunken in die Analysen über den Angriff auf die Tranquility. Die Atmosphäre in der Küche war bedrückend, und zwischen den beiden herrschte eine spürbare Distanz. Keiner von beiden wusste, wie er die Stille durchbrechen sollte. Jeder Gedanke schien im Angesicht der Unklarheit und des Schocks verloren zu gehen.
April durchbrach das Schweigen mit einem hörbaren Seufzer: „Er hat sich etwas hingelegt“, klärte sie den Schotten auf. Saber nickte still: „Das ist gut!“, sagte er und legte das Tablet, hinter dem er sich und seine Gedanken bis eben auch noch versteckt hatte zurück auf den Tisch
„Ja…“ bestätigte auch April, als sie die noch restlichen Dinge vom Abendessen verräumte und sich an den Spüldienst machte. Eigentlich war Colt diese Woche an der Reihe, aber das wollte sie ihm abnehmen. Zudem lenkte es sie gerade gut ab! Sie starrte gedankenverloren auf den Wasserstrahl, der das Spülbecken langsam füllte und verlor sich im Anblick des sich langsam bildenden und aufsteigenden Schaums.. Mit jedem Teller, den sie ins Wasser legte, wurde die Last der Trauer schwerer. Sie presste die Augen zusammen, um die aufsteigende Trauer zu unterdrücken. Immerhin war Robin inzwischen auch zu ihrer besten Freundin geworden. Die Vorstellung, dass sie nun einfach nicht mehr da sein sollte, schnürte April die Kehle zu. Die Realität dieses Verlustes lastete schwer auf ihr, und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.
Sie ballte den Spüllappen fest in ihrer Faust, versuchte verzweifelt, den aufkommenden Schluchzer zu unterdrücken, und zwang sich, tapfer zu schlucken. Doch trotz ihres Willens entglitt ihr die Kontrolle langsam. Ein Tränenstrom bahnte sich unaufhaltsam den Weg über ihre Wangen, und der erste Tropfen platschte ins Spülwasser und vermischte sich mit den anderen Tränen. Ein weiterer Tropfen folgte, und nun konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihre Schultern begannen leicht zu zittern, und sie ließ den Emotionen freien Lauf, während sie sich dem schmerzhaften Verlust ihrer Freundin hingab.
Eine sanfte Hand legte sich behutsam auf ihren Oberarm und drehte sie dann entschlossen, aber liebevoll herum.
Saber hatte Aprils aufgewühlten Zustand bemerkt.
Und er ahnte, dass sie ihren eigenen Schock und die Emotionen die ganze Zeit unterdrückt hatte, um Colt nicht noch mehr zu belasten. Doch jetzt war klar, dass auch sie ein Ventil brauchte.
Er zog sie freundschaftlich in seine starken Arme und hielt sie einfach nur fest.
"Alles wird gut, April", flüsterte er beruhigend, während er sie an sich drückte. Er selbst kämpfte mit ähnlichen Emotionen, doch er zeigte keine Tränen und bemühte sich, für das Team stark und fokussiert zu bleiben. Aber auch ihn berührte das Leid seines Freundes sehr.
In dieser umarmenden Geborgenheit brachen bei April endlich alle Dämme, und sie schluchzte herzzerreißend auf. Der Schotte hielt sie einfach nur fest, gab ihr den Halt, den sie so dringend brauchte. Doch vielleicht war dieser Halt in diesem Moment auch gegenseitig. Während sie sich festhielten, fühlten sie sich nicht allein mit ihrem Schmerz. Ihre Umarmung war ein stilles Versprechen, einander durch die schwere Zeit zu tragen.
Leicht bewegte er sich, sachte mit ihr, als beruhigende Geste, während sie sich gehen ließ.
“Es…..es ist einfach nicht… fair!“, schluchzte sie mittendrin. „Warum?!“, stellte sie die Frage, die sie seit der schrecklichen Nachricht alle beschäftigte.
“Erst seine Eltern…… und jetzt Robin….“ , presste die Blonde zwischen den Schluchzern hervor. „Darf er denn nicht glücklich sein?!“
Saber strich ihr beruhigend über den Rücken. "Ich weiß...", murmelte er sanft. "Ja, es ist nicht fair..." Er fühlte den Schmerz seiner Kollegin und ließ für einen Moment seine eigenen Gedanken zu. Colt hatte bereits so viel Leid in seinem Leben erfahren müssen. Und nun nahm ihm das Schicksal auch noch die Frau, die er liebte. Saber wurde sich in diesem Moment bewusst, welches Privileg es war, noch beide Elternteile zu haben.
April's Stimme überschlug sich fast vor Emotionen:“Und der kleine Josh…. er….er ist jetzt ganz alleine! Er hat das nicht verdient!“ April kannte nur allzu gut die schmerzhafte Realität, als Kind eine der wichtigsten Personen im Leben zu verlieren. Robin und Joshua waren bereits sehr jung Vollwaisen geworden. Seitdem hatte die junge Lehrerin die Vormundschaft für ihren kleinen Bruder übernommen, obwohl sie selbst gerade erst erwachsen geworden war. Und jetzt…. Jetzt hat der Junge auch noch die letzte Person seiner Familie verloren. Die Vorstellung, wie Josh nun ganz alleine zurückblieb, riss April das Herz entzwei.
“Ja .. du hast recht“, sprach Saber weiter auf April ein. „Aber er wird nicht alleine sein… wir werden alle für ihn da sein und ihn nicht im Stich lassen. Selbst dein Vater hat es ja bereits bestätigt“, versuchte er ihr etwas den Kummer zu nehmen.
Saber spürte Aprils stummes Einverständnis gegen seine Brust und senkte den Blick auf ihren Schopf. Plötzlich bemerkte er den Schatten von Fireball in der Tür und hob den Blick.
Der Japaner hatte bereits Aprils Weinen gehört, noch bevor er in die Küche gekommen war. Sein Beschützerinstinkt war sofort geweckt worden und vermutlich hätte er aus Reflex und Gewohnheit die junge Frau jetzt in seine Arme ziehen wollen. Aber als er die Szenerie sah, wurde ihm mit einem Schlag auch wieder die schmerzhafte Realität bewusst, dass er vermutlich gerade der Letzte war, von dem April getröstet oder angefasst werden wollte und so wich er wieder zurück.
Verdammt, es konnte sich von einem Moment zum anderen ein ganzes Leben verändern, ja es konnte auch ganz vorbei sein….. warum war er nur so dumm gewesen?!
Saber blickte zu Fireball und gab ihm ein unauffälliges Zeichen, nicht näher zu kommen. Er war sich sicher, wenn die junge Französin den Rennfahrer bemerken würde, würde sie sich sofort verstellen und die Trauer verstecken, nur damit er sie jetzt nicht schwach sah.Genau das wollte der Anführer vermeiden. Es war entscheidend, dass sie die Anspannung losließ und sich erlaubte, ihre Trauer zu durchleben, um wieder etwas Stabilität zu finden und die Situation zu verarbeiten.
Fireball verstand das Zeichen und nickte Saber stumm zu. Anschließend deutete er mit dem Kopf in Richtung der Quartiere und formte stumm mit den Lippen das Wort "Colt". Dann legte er beide Hände ineinander gefaltet unter seine Wange, um zu signalisieren, dass der Cowboy schlief. Saber schloss kurz, erleichtert seine Augen und nickte verständnisvoll. Fireball hob eine Hand zur Verabschiedung, verließ die Küche auch schon wieder und ging auf die Brücke, um Ramrod für den Landeanflug vorzubereiten.
Nach und nach ließ Aprils Anspannung nach und die Tränen versiegten langsam und ließen ein unangenehmes, trockenes Gefühl auf ihrem Gesicht zurück. Saber strich ihr sanft über ihren Rücken. „Hmm, na geht's wieder?“, erkundigte er sich bei April. Sie löste sich aus der Umarmung und sah zu ihm nickend auf. „Ja!Danke Saber!” - „Kein Thema… Dafür hat man doch Freunde“, erwiderte er mit einem warmen Lächeln. Dann schob er April auf die Sitzbank und machte sich daran das restliche Geschirr abzuwaschen.Während der Schotte die Küchenzeile aufräumte, zog die Navigatorin die Berichte heran und las darin, während langsam wieder Ruhe in sie einkehrte. „Ich brauch nen Tee“, kommentierte Saber als er fertig wurde. „Du auch?“
“Ja… am besten mit Schuss!“, antwortete April trocken und sah in zwei verblüffte Augen. „Das war ein Scherz, Saber…“ klärte sie ihn augenzwinkernd auf und Saber bereitete mit einem Lächeln zwei Tassen zu.
“Scheinbar waren die Outrider schon eine Weile in der Gegend aktiv. Die erste Meldung gab es bereits vor einigen Wochen “, fasste April die Berichte grob zusammen. „Warum haben wir nichts erfahren?!“, sprach sie laut ihre Gedanken aus.
„Ich denke, weil diese Schurken noch so oft an diversen Orten auftauchen und wir uns sonst vierteilen müssten. Daher bekommen wir die Meldungen nach Dringlichkeit und den Rest übernimmt die Kavallerie“, musste Saber nüchtern die Tatsachen betrachten. Auch wenn sie ihm genauso wenig schmeckte, wie seiner Kollegin.
„Mich wundert ja, dass wir von Robin selbst nichts gehört haben“, fragte sich der Captain. „Ich meine Sincia würde sich ja auch sofort bei mir melden“. Kalt wurde ihm bei diesem Gedanken.
“Ja, da hast du recht, Saber“, wurde April nachdenklich und trank einen Schluck vom Tee.
„Also entweder war das wirklich ein Überraschungsangriff auf Tranquility oder sie hatte keine Möglichkeit dazu“, schlussfolgerte sie weiter, ehe sie etwas über die Tastatur eintippte und durchforstete.
“Bingo! Seit Vorgestern gibt es Meldungen, dass nach und nach immer mehr Funkzellen ausgefallen sind. Die Outrider haben einiges in die Luft gejagt und somit waren sie irgendwann gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten“, schluckte April schwer. Gott, was mussten die Einwohner Todesangst gehabt haben und konnten niemanden erreichen. „Nach und nach wird gerade auf Hochdruck provisorisch ein Telekommunikationsnetz aufgebaut, bis die Stationen wieder vollständig erbaut sind“, teilte sie Saber ihre Erkenntnis mit. „Das Oberkommando lässt nun die Hauptknotenpunkte überprüfen und stellt sie unter besonderen Schutz“.
„Das sollten sie - ja!“, nickte Saber und beschloss gerade, dass er sowohl Sincia als auch seinen Eltern noch mit zusätzlichen Möglichkeiten für ein Notrufsignal ausstatten wollte. Er musste sich dringend informieren, wenn sie zurück auf Yuma waren.
Da blinkte in der Mitte der Eckbank ein Signal auf. Sie näherten sich dem Ziel.
“Wir sollten zum landen auf die Brücke", beschloss der Anführer und erhob sich. Schnell wurde alles gesäubert und alles, was noch rumstand, aufgeräumt, ehe sich die beiden blonden Star Sheriffs zum Cockpit aufmachten.
„Geh du schon mal vor - ich hole Colt“ wies Saber April an, als sie am Männerquartier vorbei kamen.
„Alles klar“, bestätigte die Navigatorin und machte sich auf den Weg in ihre Satteleinheit. Sie machte sich gleich an ihre Arbeit den richtigen Korridor zu berechnen und Fireball die Koordinaten in sein Modul zu übertragen. Zwischen Fireball und April herrschte sonst gerade Funkstille. Was sollten sie aber auch gerade groß besprechen? Auch wenn sich der Rennfahrer mit einem kurzen Blick vergewisserte, dass sie nach dem Tränenausbruch wieder okay war, fand er keine passenden Worte.
Saber ging indes leise in Richtung Bett. Er wollte nicht, dass Colt erschrocken hochfuhr. Auch ihm tat es weh, seinen engen Freund so sehen zu müssen. Und dabei stand der schwierigste Part jetzt noch vor ihm - vor ihnen allen.
Er beugte sich etwas in die Koje und berührte den Cowboy an der Schulter: „Colt …. Wir sind im Landeanflug…“ sprach er mit ruhiger Stimme zu ihm. Als im ersten Moment noch keine Reaktion kam, klopfte er ihm etwas auf den Oberarm. „Colt?“
“Robin…?!“, riss Colt im nächsten Moment die Augen auf und setzte sich schwungvoll auf. Fast wäre er mit dem Schotten kollidiert. Saber verkrampfte innerlich, ließ sich aber nach außen nichts anmerken. Er musste jetzt der Fels in der Brandung sein.
“Wir sind gleich da….“ versuchte er Colt, den er scheinbar gerade aus einem Traum gerissen hatte, ins Hier und Jetzt zu holen. Colt begriff schnell und atmete tief durch. Er hatte Angst. Aber wer konnte es ihm verdenken. Gleichzeitig waren sofort wieder die Schuldgefühle da.
Warum konnte das alles nicht einfach nur ein schlechter Traum sein und er würde seine kleine Familie gleich erleichtert in die Arme schließen können.
Saber wich einen Schritt vom Bett zurück, damit Colt aufstehen konnte und reichte ihm seine Hand. Colt nahm sie und stand auf. Einige Augenblicke hielten die beiden Männer diese freundschaftliche Geste. Saber verstärkte den Händedruck, um Colt zu signalisieren, dass er für ihn da war und er mit der Situation nicht allein fertig werden musste. Colt nickte dankbar und schloss kurz die Augen. Er war dankbar in Saber nicht nur einen Vorgesetzten, sondern vor allem einen seiner besten Freunde zu wissen. Es bedurfte gerade nicht vieler Worte. Die beiden Männer verstanden einander ohne Sprache.
Das Licht überall in Ramrod wurde automatisch gedimmt und signalisierte damit, dass sie langsam in die Atmosphäre eintauchten. „Komm, lass uns auf die Brücke gehen“, kommentierte der Schotte und klopfte Colt freundschaftlich auf die Schulter. Wenig später saßen alle vier Star Sheriffs samt Anzug und Helm angeschnallt auf ihren Stammplätzen. Der Friedenswächter wurde etwas durchgeschüttelt, während Fireball immer tiefer steuerte.
Außer den Lande-Geräuschen und das monotone Brummen der Turbos ertönte nur ab und an ein Signal. Jeder war in seine Gedanken verloren und sie waren nervös, was sie nun da unten erwarten würde.
Gefühlt war dies der längste Landeanflug seit langem - vielleicht der Längste überhaupt.
In Colt selbst überschlugen sich die Fragen. Wo sollte er als erstes hin? Am besten zu Josh! Oder sollte er sich erst wegen Robin selbst vergewissern? Oder wollte er Fragen beantwortet haben?
Nein - an 1. Stelle stand Josh. So hätte Robin es sich gewünscht und erwartet. Wenn er schon komplett versagt hatte die Beiden zu schützen, dann musste er wenigstens jetzt richtig handeln
Normalerweise sprangen die vier Star Sheriffs kurz nach der Landung aus ihren Satteleinheiten. Heute blieben sie alle erst nochmals sitzen und versuchten die Gedanken zu ordnen. Der ein oder andere atmete nochmals tief durch.
Colt gingen so viele Dinge durch den Kopf, was ihn jetzt schon fast verrückt machte.
Er schüttelte den Kopf, als ob er damit Ordnung ins Chaos bringen könnte. Aber es half nicht wirklich. Er hatte Joshs Gesicht vor seinem inneren Auge.
Alles andere war gerade egal und zweitrangig. Der Junge zählte.
Und so erhob er sich von seinem Platz. „Was dagegen, wenn wir direkt ins Krankenhaus fahren?“ fragte er in die Runde, als auch seine Kameraden aufstanden.
“Nein Colt - der Junge ist jetzt das Wichtigste. Lass uns gehen!“, antwortete Saber dem Texaner. Und so machten sich alle gemeinsam auf den Weg. Sie wollten ihn nicht alleine gehen lassen. Freunde hielten zusammen und wenn sie nachher vielleicht nur vor der Tür warten würden, würde der Cowboy wissen, dass seine Freunde jederzeit greifbar waren.
Nach etwa einer halben Stunden hatten die Star Sheriffs den Krankenhauskomplex erreicht. Colt ging an den Empfang und meldete sich mit seiner Dienstmarke an. Nachdem sie erfahren hatten, auf welcher Station Josh lag, machten sich die Vier auf zum Fahrstuhl. Auch hier hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
Auf der Station angekommen klingelten sie vor der verschlossenen Glastüre. Schon kurz danach kam eine Krankenschwester und erkundigte sich, wer die Besucher waren. Kinder standen hier generell unter einem besonderen Schutz und nicht jeder konnte hier ein und ausgehen, wie sie wollten. Dazu gab es hier einige Zimmer mit traumatisierten Kindern, die von den Überfällen gezeichnet waren. Das Oberkommando hatte das Krankenhaus bereits im Vorfeld über den Besuch informiert und daher wusste die Schwester Bescheid. Sie hatten die Erlaubnis erhalten, sich hier nicht an die Schweigepflicht halten zu müssen.
Nachdem geklärt war, dass die Star Sheriffs eintreten durften, nahm die Schwester die Vier mit ins Schwesternzimmer und klärte sie über die Kinder auf. Sie bat die Männer ihre Waffen in einen mit Fingerabdruck abschließbaren Spind zu verräumen. Die Kinder sollten hier nichts davon sehen, damit sie nicht getriggert wurden.
„Schwester, wie geht es Josh?“, fragte Colt, der sich sichtlich Sorgen machte.
“Joshua geht es den Umständen entsprechend gut. Er hat einen Streifschuß am rechten Arm und einen an der Taille abbekommen. Beide sind nicht sehr tief und daher wird der Junge keine bleibenden Einschränkungen davontragen“, berichtete die Fachkraft den Besuchern. Erleichtert atmeten die Star Sheriffs durch. Wenigstens eine gute Nachricht in all dem Leid.
“Was uns mehr Sorgen macht, sind der Schock und das Trauma durch den Vorfall. "So etwas ist im Vergleich zu körperlichen Wunden sehr viel tiefer und langwieriger“, wurde sie sehr ernst. „Joshua hat mit ansehen müssen, wie seine Schwester, eine andere Pädagogin getötet und mehrere Kinder angeschossen wurden. Zwei dieser Kinder verstarben hier im Krankenhaus“, berichtete die Krankenschwester mit belegter Stimme. Auch wenn sie diesen Job seit Jahren machte, war so eine Situation die Ausnahme und nahm alle Angestellten genauso mit.
In den vier Star Sheriffs zog sich alles zusammen. All die Jahre waren sie an der Front gewesen, aber so eng am Leid der Zivilisten waren sie nie gewesen. Und jetzt traf es auch noch jemand, der ihnen persönlich so nah stand. Nah gestanden war.
Colt spürte regelrecht, wie sein Herz in zwei Teile zerbrach. Er hatte versagt. Warum war er nicht hier gewesen. Da war er schon Star Sheriff und konnte nicht mal seine Liebsten beschützen. Er zweifelte an sich selbst...und fragte sich zum hundertsten Mal “Warum?”
“Joshua hat starke Wutanfälle“, unterbrach die Schwester die Gedanken der Ramrod-Crew.
„Es passiert ganz plötzlich und er explodiert. Teilweise verletzt er sich dabei selbst. Es braucht dann längere Zeit, bis er sich wieder fängt und sich unter Kontrolle hat. Wutanfälle bei Kindern nach traumatischen Kriegserlebnissen sind ein ernstzunehmendes signal. Diese Wutanfälle können durch die extremen Belastungen und Ängste, die er erlebt hat, ausgelöst werden. Wichtig ist es, ihn so schnell wie möglich in ein sicheres Umfeld zu bekommen, mit professioneller Hilfe, versteht sich, was sich zur Zeit als schwer erweist, aufgrund der Lage. Er gibt sich selbst die Schuld für die Geschehnisse, was natürlich nicht stimmt“, erklärte sie die Vieren ohne Umschweife vom Gesundheitszustand ihres kleinen Patienten. „Es wird seine Zeit dauern und er benötigt unbedingt eine Therapie.
Saber nickte ihr zu und ergriff das Wort. „Danke für Ihre Offen- und Ehrlichkeit“ ehe er einen Blick auf Colt war. „Sie müssen wissen, dass dieser Besuch nicht nur dienstlicher Natur ist“, erklärte der Anführer. „Mr Wilcox hier, ist der Verlobte von Joshua's Schwester“. Irgendwie wollte Saber noch nicht in der Vergangenheit sprechen.
"Oh, ich verstehe“, nickte die Pflegekraft in Richtung Colt: „Mein aufrichtiges Beileid Mr. Wilcox“ wandte sie sich zu ihm. „Geben Sie dem Jungen Zeit. Die Zeit heilt zwar nicht alle Wunden, aber mit der Zeit tut es nicht mehr ganz so extrem weh, wie jetzt“; versuchte sie, sanfte Worte zu finden.
„Danke Miss“, waren die ersten Worte, seit sie Ramrod verlassen hatten. „Ja, das werde ich“, versicherte Colt der Fachkraft.
„Joshua liegt im Zimmer 309 - dem Löwenzimmer“, erklärte sie weiter und deutete mit der Hand den Flur entlang links. „Bitte überfordern Sie den Jungen nicht“, gab sie den Vieren mit. „Wenn Sie mich benötigen, geben Sie hier im Schwesternzimmer Bescheid.“
Die Star Sheriffs verabschiedeten sich für den Moment und gingen in die Richtung, die ihnen gewiesen worden war. Als sie an den verschiedenen Türen vorbei kamen, wurde ihnen auch klar, was mit „Löwenzimmer“ gemeint war. Jedes Patientenzimmer hier war einer Tierart gewidmet. Es gab ein Bärenzimmer, ein Mäusezimmer, ein Tigerzimmer, ein Igelzimmer und ein Eulenzimmer. Vermutlich waren das nur einige Namen, die hier liebevoll verteilt worden waren. Anders als auf den Stationen der Erwachsenen war hier alles bunt und liebevoll dekoriert. Große Zeichnungen zierten die Flure. Die Türen zeigten jeweils das titelgebende Tier.
Aus einem größeren Zimmer mit Glasfront hörte man Kinderlachen und einige Spielgeräusche. Wie gut es tat, hier auch fröhliche Laute zu hören. Ein kleines Mädchen mit dunklen großen Augen presste sich schüchtern an den Türrahmen, linste aber neugierig auf die kommenden Besucher. Ihr rechtes kleines Ärmchen zierte ein pinker Gips. Ein paar Unterschriften und kleinere Zeichnungen waren darauf bereits verewigt worden. Als die Star Sheriffs näher kamen, huschte sie für einen Moment zurück in den Schutz des Spielzimmers.
Da die Neugierde aber doch so groß war, blitzten jedoch wenig später die lebendigen und großen Augen wieder um die Ecke. Dabei blickte sie gebannt auf den fremden Mann mit dem Cowboyhut auf dem Kopf. So etwas sah man ja auch nicht alle Tage.
„Ich glaube Colt, du hast einen neuen Fan“, bemerkte Fireball das kleine Mädchen, das wieder etwas schüchtern wirkte, als die 4 Erwachsenen zu ihr blickten.
„Hey kleine Maus“, ging der Cowboy in die Knie und war so in etwa auf Augenhöhe des Kindes. „Ich bin keine Maus“, erwiderte die Kleine dann doch mutiger als gedacht. „Ich bin eine Wölfin!“, stellte sie sofort klar und zeigte auf die Zimmertür gegenüber.
Alle Vier mussten schmunzeln. Wie doch so ein kleines Mädchen die Stimmung vollkommen ändern konnte. Aber vielleicht war es gerade genau das, was sie gebraucht hatten. Und vor allem Colt. Er wirkte etwas gelöster.
„Oh, was bin ich auch für ein Dummerchen“, lächelte Colt verstehend. „Man sieht dir doch auch an, dass du eine echte Wölfin bist!“ Da wurde er zunächst etwas verstohlen angesehen, danach glitt der Blick aber nach oben zu seinem Hut. Colt folgt ihrem Blick. „Gefällt er dir?“, fragte er, nahm den Hut und setzte ihn ihr auf. Natürlich war er viel zu groß für den zarten Kinderkopf und das Mädchen verschwand fast darin. „Huch, ich glaube, da darfst du noch ein bisschen wachsen, bis er passt“.
“Ja bei deinem Dickschädel sowieso“, nutzte Fireball die Situation und neckte seinen Freund etwas. “Ha ha“, kommentierte der Cowboy nur.
„Sag mal, bekommen alle Wölfinnen so einen pinken Gips?“, fragte Colt ganz neugierig nach. „Neee, nun wenn man will. Es gibt aber auch grün oder blau oder rot!“, klärte das Kind den Unwissenden auf. „Oh, das ist ja toll. Und pink ist deine Lieblingsfarbe?“, erkundigte sich der Cowboy weiter. „Ohja!“, leuchteten die Augen des kleinen Mädchens auf. „Pink ist aber auch eine tolle Farbe“, bestätigte er das Kind, auch wenn er selbst damit ja eigentlich gar nichts anfangen konnte. „Meine Kollegin…“, dabei deutete er auf April, „liebt die Farbe auch sehr“. Das Kind blickte zu April auf, die nun auch zu ihr hinunter in die Hocke ging.
„Da hat er recht. Die Farbe ist richtig chic. Und pink passt doch zu allem, stimmt’s?“ Sofort strahlte das Kind und nickte freudig.
„Was macht ihr hier?“, wurde die kleine „Wölfin“ langsam mutiger. Colt verkrampfte sofort, was April neben sich gleich spürte und so übernahm sie das Wort, um es Colt nicht noch schwerer zu machen.
“Wir besuchen einen sehr engen Freund hier. Er liegt im Löwenzimmer“, antwortete der weibliche Star Sheriff.
“Oh ja, da liegt der neue Junge - er sieht ganz nett aus, aber manchmal schreit er so rum“, sprach das Kind einfach aus, wie sie es nun mal empfand.
„Er ist auch ein ganz toller Junge. Es geht ihm nur aktuell nicht gut. Das kennst du sicher auch, dass man mal grummelt, wenn es einem nicht gut geht oder etwas weh tut“, versuchte der weibliche Star Sheriff, das Verhalten dem Kind verständlich zu machen.
“Stimmt..“, überlegte das Kind. „Aber ihr seid nett!“, stellte sie schließlich fest. „Ihr dürft auf meinem Arm schreiben!“.
“Oh, das ist aber eine besondere Ehre!“, mischte sich nun auch Saber kindgerecht ein. „Weißt du was. Wir besuchen jetzt eben unseren Freund. Und auf dem Rückweg kommen wir vorbei.“
“Versprochen?“, fragte sie und legte den Kopf schief.
„Versprochen!“, kam es zu viert im Chor und alle mussten kurz lachen.
“Bis nachher kleine Wölfin“, Colt nahm seinen Hut zurück und die Gruppe verabschiedete sich voneinander.
Das Mädchen blickte den Vieren noch ein Weilchen nach. Am Ende des Flures lag Zimmer 309. Der Kloß in Colts Hals wuchs und wuchs von Sekunde und mit jedem Schritt an. Zwar hatte die kleine Patientin alle etwas aufgemuntert, aber nun war die Angst wieder da. Sie kroch regelrecht seinen Rücken hinauf und ließ einen eiskalten Schauer zurück.
Saber legte Colt freundschaftlich die Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. „Wir wollen Josh nicht überfordern. Geh du erstmal alleine zu ihm. Wir warten hier und sind da, falls er uns sehen möchte.“ Colt sah jeden seiner Freunde einen Moment lang an und atmete schwer durch, ehe er nickte.
Danach hob er die Hand und klopfte an die „Löwentür“.
Ein junges Stimmchen hörte man vom Inneren. Colt öffnete vorsichtig die Tür und steckte den Kopf hinein. „Hallo“, empfing ihn ein Kind. „Hey", antwortete er dem blonden Jungen im nächstgelegenen Bett.
Im Zimmer befanden sich 4 Betten. Je zwei an der Fensterfront gegenüber und zwei weitere im Zimmer Inneren. Ein Bett war aktuell leer. In den anderen lagen 3 Kinder.
Schnell erkannte er Joshs dunklen Haarschopf. Er hatte eins der Betten am Fenster und lag mit dem Rücken zur Tür.
Für Robins kleinen Bruder stand die Welt seit dem Tod seiner Schwester still. Er bekam alles nur schemenhaft mit und verkroch sich in seinem Bett. Die meiste Zeit schwieg er oder weinte leise für sich. Auch wenn das Personal sich noch so sehr versuchte, sich um ihn zu kümmern, hatten sie alle Hände voll zu tun. Er ließ einfach alles mit ihm geschehen. Auch die Verbandswechsel oder Untersuchungen, kein Mucks war aus ihm zu bekommen. Er starrte dabei nur mit trostlosen Augen an die Decke oder die Wand vor sich.
Auch jetzt gerade starrte der Junge nach draußen aus dem Fenster, aber von der Natur davor bekam er nicht viel mit. Auch die bunten Fensterbilder erfreuten ihn nicht. Für ihn war die Welt von einer Sekunde von bunt zu grau und trostlos geworden. Es war noch so unwirklich und doch so nah. Josh wollte eigentlich nur aus diesem Albtraum aufwachen. Er wünschte sich so sehr, dass die Tür aufging und seine Schwester ihn abholen würde. Vielleicht hatte er das alles nur geträumt, sagte er sich immer wieder selbst, nur um dann wieder mit der harten Realität konfrontiert zu werden. Warum nahm ihm das Schicksal alles, was er gehabt hatte? Sein Kopf schmerzte vom vielen Weinen und den Fragen, die ihn auffraßen. So hörte er auch nicht, dass Besuch ins Zimmer gekommen war.
Colt schlug das Herz gerade bis zum Hals. Ihm tat Joshua so leid und er hatte ihm dieses Leid nicht ersparen können. Seine Handinnenflächen wurden feucht. Schnell versuchte er, die Nässe irgendwie an seiner Jeans abzustreifen. Aber wirklich gelang es nicht. Er ging leise etwas näher, denn er wusste ja nicht, ob Josh schlief. Er wagte es kaum zu atmen und beobachtete einen Moment das Kind.
„Der schläft nicht - der tut nur so!“, kommentierte der Junge im Bett am Fenster, als er bemerkte wohin der Besuch steuerte.
Okay, Colt war vorgewarnt. Als Colt ans Bett trat, zitterte er leicht. Noch nie war ihm so schlecht gewesen wie jetzt. „Hey Kumpel“, sprach er Josh in seiner typischen Art an, wie er es auch sonst immer getan hatte.
Bis dahin hatte sich Joshua noch nicht bewegt oder aufgeblickt.
Joshua überlegte einen Moment. Diese Stimme - er erkannte sie. War es doch vielleicht nur ein böser Traum gewesen und Robin und Colt holten ihn jetzt gemeinsam ab? Der kleine Junge stemmte sich auf die Arme. Ein Stich ging durch seine Wunden. Aber er musste sich jetzt vergewissern. Er sah erst über die Schulter hinweg und erkannte Colt direkt. Dann drehte er sich ruckartig um und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Die Wunde stach noch ganz schön. Colt sah dies und wollte gerade Josh beim Aufsitzen helfen.
Da bemerkte Josh, dass Robin nicht dabei war und er konnte es deutlich in Colts Gesichtsausdruck lesen: Sie würde auch nie wieder kommen!
Währenddessen hatten die drei übrigen Star Sheriffs auf Besucherstühlen neben dem „Löwenzimmer“ Platz genommen. April hatte das Gefühl, ihren eigenen Herzschlag zu hören. Sie erinnerte sich an den Moment, als ihr Vater ihr damals den Tod ihrer Mutter beibringen musste. Sie fühlte sich gerade wieder wie das kleine 9 jährige Mädchen, für das die Welt von jetzt auf gleich stehen geblieben war. Sie schluckte. Sie ahnte, wie es Joshua gerade gehen musste. Allerdings hatte der Junge noch mehr Schicksalschläge zu verkraften, als sie es damals musste. Sie hatte ihren Vater noch und ohne ihn hätte sie das nicht durchgestanden. Da war sie sich sicher. Er war ihr Halt, ihr Anker, ihr Fels in der Brandung bis heute. Es war nicht leicht gewesen, aber die kleine Familie fand ineinander die Kraft, diese schlimme Zeit durchzustehen. Aber Josh fehlte das gänzlich. Innerlich schwor sie sich für den Bruder ihrer besten Freundin da zu sein und ihn zu unterstützen, so gut sie konnte. Sie war zwar kein direkter Verwandter, aber sie wollte ihm das geben, was ihr möglich war. Irgendwie hatte sie auch das Gefühl, Robin dies schuldig zu sein.
Fireball starrte vor sich auf den Boden. Auch seine Gedanken kreisten. Er hatte ohne Vater groß werden müssen. Der Held, der die Menschheit vor fast zwei Jahrzehnten gerettet hatte und den er selbst aber gar nicht kannte. Nur von Erzählungen, Berichten und Geschichten. Wie mochte es da einen kleinen Jungen gehen, der alles verloren hatte. Obwohl es Sommer war, fröstelte der Japaner bei dem Gedanken. Währenddessen saß Saber mit verschränkten Armen da und begann gedankenverloren, die Anzahl der Deckenpaneele zu zählen, um diese Wartezeit und die innere Unruhe zu besänftigen. Er spürte wieder einmal, welches Glück ihn begleitete, nie damit konfrontiert gewesen zu sein, dass jemand ihm Nahestendendes plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen worden war. Er kannte es persönlich nicht und dennoch war er so empathisch zu verstehen, wie hart das gerade für ein Kind war. Auch konnte er erahnen, welche Gedankengänge gerade sein Team durchlebte.
“FASS MICH NICHT AN!“ zischte Josh völlig unerwartet einen zusammen zuckenden Colt an, als ihm bewusst wurde, dass er nicht geträumt hatte. Seine Augen waren rot und geschwollen. Ein Zeichen dafür, dass er viel geweint hatte. Aber inzwischen hatte er keine Kraft mehr zu weinen. Colt wich erschrocken einen Schritt zurück und es fühlte sich an, als ob sein Brustkorb plötzlich wie in einem Schraubstock saß.
Fast panisch sah er den Jungen an. Sofort sah er die Verletztheit, die Enttäuschung und ja auch die Wut in seinen sonst so sanften Augen.
„WAS WILLST DU HIER! HAU AB!“, fuhr Josh den Cowboy weiter an. Der Junge zog die Augen fest zusammen und funkelte den Star Sheriff an. Josh begann vor Wut zu zittern und ballte die kleinen Fäuste. Der Texaner fühlte sich gerade so, als ob sich der Boden unter seinen Füßen auftat. Sein Herz zerbrach erneut in tausend Teile. „DU WARST NICHT DA! SIE IST TOT!“ schrie er immer lauter und seine Stimme begann zu beben, während er trotz Schmerzen im Arm mit der Faust auf die Matratze schlug. Der Schmerz im Arm übertönte den Schmerz im Herzen des Kindes. Lieber spürte er diesen Schmerz als den Schmerz im Innere.
Auch die anderen beiden Kinder zerriss es regelrecht und sie wagten nichts zu sagen. Auch für sie kam dieser Ausbruch überraschend, auch wenn sie schon den ein oder anderen mit ihm erlebt hatten. Das hier war aber nochmal heftiger. Der blonde Junge drückte nur den Knopf nach den Schwestern.
Joshua funkelte Colt mit wütenden Augen an. Obwohl Robins Bruder Schmerzen bei den Bewegungen hatte, riss er drohend den Arm nach oben.
„HAU AB! ICH WILL DICH NIIIIIIIEEEEEEEE WIEDER SEHEN!“, schrie Josh sich heiser aus Leibeskräften, während heiße Tränen über seine Wangen schossen. Er biss den Kiefer fest aufeinander und malte mit den Zähnen. Seine Wunde schmerzte, aber noch mehr schmerzte den Jungen das, was er erlebt hatte.
Im nächsten Moment wurde auch schon die Tür aufgerissen und die Krankenschwester stürmte mit einer Kollegin herein. Auch vor der Tür hatte man den Wutausbruch bereits hören können. Erschrocken waren Saber, April und Fireball aufgesprungen und eilten hinterher. Sie hatten ja mit viel gerechnet. Aber Joshs Schreien ging auch ihnen durch Mark und Bein.
„ICH HASSE DIIIIICH!“ Josh griff nach seinem Kissen und warf es mit voller Wucht Richtung Colt, wobei er durch den Schwung fast aus seinem Bett fiel und die Infusion vom Haken riss.
Colt war wie gelähmt, während die Schwestern an ihm vorbei liefen, nach Josh griffen und ihn vor dem Absturz bewahrten. Während sich die eine um die Infusion kümmerte, blickte die Schwester, die sie vorhin empfangen hatte, zum Texaner. „Sie gehen jetzt besser!“, forderte sie ihn mit eindringlichen Blick auf, ehe sie sich wieder um ihren Patienten kümmerte. “Ja, aber…” begann der Cowboy, verstummte aber in seinem Satz.
Colt war wie erstarrt, als die Schwestern an ihm vorbeieilten und Josh vor dem Absturz bewahrten. Während sich eine um die Infusion kümmerte, warf die Schwester, die sie zuvor empfangen hatte, einen Blick über die Schulter zum Texaner. "Sie sollten jetzt besser gehen!", forderte sie ihn mit einem eindringlichen Blick auf, bevor sie sich wieder ihrem Patienten zuwandte. "Ja, aber..." begann der Cowboy, verstummte jedoch mitten im Satz.
Saber, April und Fireball waren ins Zimmer gekommen und fanden Colt in Schockstarre vor. Josh sprach das aus, vor dem er sich am meisten gefürchtet hatte. Es waren die Vorwürfe, die ihn die ganze Zeit selbst innerlich auffressen.
Seine Freunde waren an seiner Seite. Beherzt nahmen sie den Cowboy in die Mitte und schoben ihn mit sich aus dem Zimmer. „Komm Colt - das hat jetzt im Moment keinen Sinn. Er braucht Zeit!“, sprach Saber und ruckte seinen Scharfschützen und Freund einmal kräftig durch. Diesem schürte es den Hals zu und er bekam gefühlt gar keine Luft mehr. Seinen Freunden erging es nicht anders. Auch sie waren völlig überfahren und überfordert mit der Situation. Dazu hatten sie mit so ein harschen Reaktion des Jungen bei weitem nicht gerechnet.
April blickte hinter sich zu Josh. Noch nie hatte sie den sonst so lieben Jungen so hasserfüllt und aggressiv erlebt. Es gab auch ihr einen tiefen Stich ins Herz. ‚Ach Robin….‘
“ICH HASSE DIIIIICH!“ schrie Josh inbrünstig erneut aus tiefer Kehle Colt hinterher und brach dann schließlich zitternd in den Armen der Krankenschwester zusammen und weinte Tausende von Tränen, die einfach nicht versiegen wollten.
"Ja ist es denn die Possibility?!" 😉
Empfehlung: haltet eine Taschentuchbox bereit. 😢
„Sehr geneigte Leserschaft“ 😉 - bitte nehmt euch die Zeit und lasst mir ein paar Zeilen da. Ich sehe, dass meine Stories oft gelesen werden, aber leider kommt kein Feedback. Daher erfahre ich leider aber auch nicht, ob es euch gefällt oder nicht. Ich würde mich gerne weiter verbessern und freue mich über jeden Kommentar. Vielen Dank.
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Kapitel 3
Tausend Schuldgefühle
Wie versteinert standen die vier Freunde auf dem Krankenhausflur. In ihren Ohren echote noch immer die Joshs hasserfüllte Stimme. Colt selbst bekam nur schemenhaft mit, was um ihn herum geschah. Er sah Robin und auch Josh vor seinem inneren Auge, während sich die Schuldgefühle langsam aber grausam eiskalt seinen Rücken hinauf fraßen. Er konnte ihnen gefühlt nicht in die Augen sehen und machte sich selbst die größten Vorwürfe.
Hilfesuchend sahen sich Saber, Fireball und April an. Keiner wusste recht, was sie nun tun oder sagen sollte. Ihnen hatte es ebenfalls die Sprache verschlagen. Auch sie bekamen Gewissensbisse. Wären sie doch nur etwas schneller und eher wieder hier gewesen. Hatten sie wertvolle Zeit verbummelt? Auch wenn ihnen der gesunde Menschenverstand natürlich sagte, dass sie nicht überall helfen konnten und nicht immer zur richtigen Zeit am rechten Ort sein konnten, war es jetzt doch etwas anders, wenn Familie und Freunde beteiligt waren. Die Star Sheriffs waren selbst etwas wie eine Familie und daher gehörten auch Angehörige und die Liebsten mit zum Kreis.
Leicht hörte man noch Josh durch die Zimmertüre und auch die Beruhigungsversuche der Krankenschwester, als Saber die kleine Gruppe sanft etwas weiter anschob. Es war vermutlich besser, jetzt nicht weiter die Geräusche und das Leid des Jungen zu hören. Es war kein Ignorieren oder nicht beachten, aber es brauchte jetzt in dem Moment niemanden etwas außer sich weiter zu quälen.
In dem Moment ging die Tür auf, während die Kollegin der Schwester, die sie vorhin über Joshuas Gesundheitszustand aufgeklärt hatte, eilte an ihnen vorbei. Kurz hatte man das verzweifelte Weinen des Kindes über den Flur hören können. Colt schluckte schwer. Der Kloß in seinem Hals schnürte ihm gänzlich die Luft ab. Seine Augen brannten, als er der Angestellten nachsah, die kurz darauf zusammen mit einem Arzt in typisch weißen Kittel, mit einer Nierenschale in der Hand und darin befindlichen Spritzbesteck wieder vorbei eilten und schnell im Raum verschwanden. Kurz darauf wurde es leise im Krankenzimmer. Die Stille wurde nur durch das klicken der Türklinke unterbrochen, als der Doktor wieder nach draußen trat und vier fragende Blicke ihn empfingen. „Sie sind die Star Sheriffs?“, erkundigte er sich kurz bevor Saber ihm antwortete.
„Joshua hat ein Beruhigungsmittel bekommen und schläft jetzt. Das ist für den Moment alles, was wir tun können. Trauer hat seine Phasen und er muss sie durchleben, um selbst wieder zurück ins Leben zu kommen“, erklärte der Mediziner nüchtern. „Es wird seine Zeit dauern“, stellte auch er nochmals klar.
„Wir verstehen“, sprach Saber weiter. Die anderen hatten ihre Stimmen noch nicht wiedergefunden.
„Gehen Sie jetzt nach Hause. Der Junge braucht jetzt seinen Schlaf und auch Sie sollten das Ganze erst einmal sacken lassen“, gab er den Soldaten den Rat. Es half jetzt nicht, wenn sie hier im Flur herumstehen würden. „Lassen Sie sich die Tage einen Termin geben und wir besprechen alles weitere.“
Da Colt keine Reaktion zeigte oder antwortete übernahm Saber wieder das Wort. „Danke Sir - wir werden uns melden“. Fireball und April unterstrichen mit einem Nicken die Worte des Anführers, bevor der Mediziner sich verabschiedete und zurück zu seiner Arbeit ging.
„Der Arzt hat recht - lasst uns zu Ramrod gehen!“, wies er sein Team an. Fireball und April wandten sich zu gehen, während Colt gerade gedanklich nicht anwesend war. „Colt..?“, sprach April ihren Kollegen sanft an und berührte ihn am Arm. „Kommst du..?“
Die Berühung holte den Cowboy in das Hier und Jetzt wieder. Kurz schüttelte sich kurz um den Kopf frei zu bekommen. Ein kurzer Blick zur Tür oder auch er realisierte, dass er jetzt nichts ausrichten konnte. „Ja…“ kam es sehr leise von ihm, während er seine Hände in die Taschen seiner Jeans schob, den Kopf senkte und einen Fuß vor den anderen setzte.
Seine Freunde sahen einander mit einem Seufzer an und folgten dann ihrem Kumpel.
“Hey! Habt ihr mich etwa vergessen?!“ kam plötzlich die vorwurfsvolle Frage und hilft demonstrativ einen Stift und ihren Gipsarm hin.
„Aber nein, kleine Wölfin“, lächelte April, als sie den Stift an sich nahm, in die Hocke ging und sich auf dem Kinderarm mit Namen und einer kleinen Zeichnung eines kleinen …. (Weiß noch nicht was :P) verewigte. „Oh, der ist ja süß!“, freute sich die kleine Patientin und hielt dann den Jungs den Stift vor die Nasen. „Na so gut zeichnen kann ich aber nicht“, entschuldigte sich Fireball sofort, bevor er unterzeichnete. „Nicht schlimm - der Hund hier sieht auch aus wie ne Kuh!“, klärte sie die Erwachsenen auf, die nun etwas schmunzeln mussten. Schließlich unterschrieben auch die beiden restlichen Star Sheriffs.
“Danke!“ freute sich das Mädchen und begutachte ihre neuen Errungenschaften. Wie so ein kleines Kind die Stimmung etwas aufheitern konnte, war schon bemerkenswert.
“Kommt ihr wieder her?“, fragte sie schließlich ihre neuen Bekannten neugierig.
“Ja, auf jeden Fall“, versprach Fireball. „Super! Dann spielen wir zusammen!“, wurde schnell beschlossen und keiner wagte es zu widersprechen.
So verabschiedete sich die Gruppe von der kleinen Wölfin.
Als die Vier den Krankenhauskomplex verließen, wurden sie von den letzten Zügen des Sonnenuntergangs empfangen. ‚Robin hat Sonnenuntergänge geliebt‘, schoss es Colt wehmütig durch den Kopf. Ihm wurde gerade wieder bewusst, dass er niemals mehr zusammen mit ihr einen bewundern konnte. Wie konnte so ein schrecklicher Tag so schön enden. Oder sendete sie ihm ein Zeichen? Ach, er wusste es einfach nicht. Er wusste gar nichts mehr, außer, dass er versagt hatte. Diese Gedanken zerfraßen ihn und begleiteten ihn den ganzen restlichen Abend und noch tief bis in die Nacht. Es war fast gespenstisch für Alle, dass der sonst so redegewandte und fast nie Ruhe findenden Cowboy, so extrem still war. Alle hofften, dieser Schicksalschlag würde den Texaner nicht gänzlich brechen. Sie fühlten sich so unheimlich hilflos. Egal was sie sagten oder taten, sie konnten ihm gerade nicht helfen, außer ihm das Gefühl zu geben, dass er nicht allein war und sie für ihn da waren. Auch wenn er es gerade nicht zeigen konnte, war der Scharfschütze dafür sehr dankbar, aber aktuell war ihm nicht nach Reden oder Gesellschaft. Daher zog er sich zeitig in sein Bett zurück und starrte vor sich hin an die Decke des Stockbettes. Irgendwann war er völlig erschöpft in seiner Koje eingeschlafen.
Colt wollte für Josh da sein und gleich am nächsten Morgen wieder zum Krankenhaus. Saber hatte mit Engelszungen auf ihn eingeredet, doch zumindest vorab anzurufen und die Experten entscheiden zu lassen. Frustriert war er natürlich, als man ihm sagte, sie sollten ein paar Tage warten. Für ihn war es unlogisch, denn Josh war allein und er würde sich doch nur noch mehr in seine Wut steigern, wenn er nicht mit ihm reden konnte. Seine Freunde versuchten ihn zu beschwichtigen und dass das medizinische Personal wusste, was sie taten. April erzählte ihm, dass es ihr als Kind ähnlich ging und sie erstmal in ihrem Schock und kaum ansprechbar war. Vorsichtig fragte sie ihn, wie er damals mit der Trauer um seine Eltern umgegangen war, und er musste erkennen, dass sowohl seine Freunde als auch die Leute im Krankenhaus irgendwie recht hatten. Auch er hatte sich damals erstmal abgekapselt und wollte niemanden sehen. Somit stimmte er schweren Herzens, zuerst einmal mit seinem Team zurück nach Yuma zu fliegen. Hier konnte er gerade nicht viel ausrichten, blieb aber weiter im Kontakt mit den Ärzten und würde sofort im Bronco Buster sitzen, sollte Josh sich beruhigen und er zu ihm dürfte.
Colt hatte sich viele Gedanken über die Zukunft gemacht und daher galt es einiges zu planen und zu erledigen. Er musste sich um Vieles kümmern. So vergingen ein paar Tage, an denen sich Colt aber täglich 1-2 mal telefonisch meldete und sich nach Joshs Befinden erkundigte. Leider wollte Josh auch an Tag 3 nicht mit ihm telefonieren, was den Texaner wieder einen tiefen Stich gab. Er hatte neben Kleidung auch einem Kuscheltier, ein paar Comics, etwas zum Naschen und ein Handy für ihn abgegeben, falls er es annehmen würde. Irgendwie hatte Colt gehofft, Josh würde sich irgendwann bei ihm melden, aber leider sah er hunderte Male vergeblich in seinen Nachrichteneingang.
Bevor die Star Sheriffs zurück nach Yuma aufgebrochen waren, hatte er einen Termin beim behandelnden Arzt bekommen. Auf sein Bitten hin, hatte Saber seinen Kameraden begleitet. Colt hatte Bedenken, dass er aufGrund der Situation, aber auch weil medizinisches einfach oft so hochgestochen war, nicht alles verstehen würde. Daher war er sehr dankbar, dass der Schotte ihn begleitete und das Gespräch hauptsächlich übernahm. Danach hatten sie sich in ein Café gesetzt und miteinander ausführlich gesprochen.
Colt war so dankbar für die Unterstützung seines Freundes. Gerade jetzt. Der Schotte konnte einfach rationaler denken, selbst bei diesem Schicksalsschlag. Dazu verstand er einfach von dem hochgestochenen Mediziner Gerede mehr als der einfache Cowboy und konnte es ihm danach übersetzen und erklären, ohne dass Colt sich schlecht oder dumm vorkam. Oft war er sich minder gebildet vorgekommen zwischen dem Edelmann und Captain aus Schottland, der superschlauen Ingenieurin des Friedenswächters und dem proviligierten jüngsten Rennfahr-Champion aller Zeiten. Und er? Der einfache Sohn eines Farmers, der sich als Kopfgeldjäger versucht hatte, sich über Wasser zu halten. Es gab Momente, da kam sich der Texaner deplatziert an oder hatte Angst, morgens aufzuwachen und alles wäre wie eine große Seifenblase geplatzt und er war zurück in seiner alten Welt. Um so dankbarer war der Cowboy, dass Saber ihn nicht anders behandelte als seine Kollegen. Auch ihm konnte er sich gerade offenbaren und seinen Rat für die kommende Zeit einholen. Saber versicherte ihm, dass er sowohl als Freund aber auch als Vorgesetzter hinter seinem Scharfschützen stand. Außerdem bot er seine Unterstützung bei Joshua an und versicherte, dass auch Sincia bereits zugesichert hatte, jederzeit zu helfen. Diese Stütze bedeutete Colt sehr viel und gab ihm einen Hoffnungsschimmer. Von Saber stammte auch die Idee Joshua vielleicht im Oberkommando zur Schule gehen zu lassen.
Colt war zunächst nicht überzeugt, denn er hatte immer seine Robin vor Augen. Würde sie DAS wollen? Gerade im Oberkommando? Im Militär? Aber je länger er darüber nachdachte, wurde ihm immer mehr klar, dass es vermutlich die beste Lösung war. Hier hatte der Junge alles, was er brauchte: er selbst würde sich leichter um ihn kümmern können, als in Tranquility. Dazu zählte die Schule des Oberkommandos zu einer der besten im ganzen Neuen Grenzland. Vom Kindergarten bis zur Universität in diversen Zweigen, konnte man hier eine erstklassige Bildung und auch Betreuung erhalten. „Josh ist ein kluger, aufgeweckter Junge. Mit der richtigen Förderung könnte er es weit bringen“, hörte Colts Sabers Stimme immer wieder in seinem Kopf kreisen. Außerdem konnte er auch vielen Hobbies nachgehen, Colts Kollegen waren da und konnten sich gegenseitig unterstützen und selbst wenn er im Einsatz war, wusste er, dass sich um Josh sehr gut gekümmert werden würde. Er wäre nie allein. Aber konnte er den Jungen jetzt noch aus seiner gewohnten Umgebung reißen und ihm zumuten, seine Heimat aufzugeben? War das nicht doch zu viel? Gerade jetzt? Fragen über Fragen zermarterten Colt das Hirn und in all der Gedanken-Achterbahn schlief er so gut wie kaum. Wirklich erholen oder selbst Ruhe finden, war nicht möglich.
Zu allem Überfluss stand neben der üblichen Bürokratie, der Berichte über den letzten Einsatz, auch noch die Organisation von Robins Beerdigung an. Auch wenn er noch so oft gehofft hatte, dass seine Verlobte gleich um die Ecke kam oder er sich eingebildet hatte, dass sie ihn anrief, wurde es mit dieser Planung immer endgültiger. Innerlich sträubte er sich. Er wollte nicht. Er wollte nicht, dass es damit besiegelt wurde, dass Robin nie wieder zurückkommen würde. Jedes Mal, wenn er den Prospekt in die Hand nahm, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ein dicker Kloß bildete sich, der ihm die Kehle zuschnürte. Für einen Moment hatt er wieder das Gefühl zu ersticken. Er wollte und konnte es einfach selbst noch nicht wahrhaben. Wie sollte es dann ein Kind erst schaffen? Außerdem wollte er Josh mitentscheiden lassen. Er war Robins Bruder und kannte sie besser als sonst jemanden. Was hätte sie sich gewünscht? Sie hatten über Hochzeit, Kinder, weitere Pläne und die gemeinsame Zukunft gesprochen - aber doch nie über Beerdigungen und das Ende. Jetzt schollt er sich dafür. Er hätte doch wissen müssen, wie schnell etwas passieren konnte. Und ja, auch Robin hatte die Erfahrung ja ebenfalls machen müssen. Sie waren geblendet vom Glück gewesen, dass sie über solche Dinge nie ein Wort verloren hatten. Colt raufte sich die Haare. Es war das Letzte, was er für die Frau tun konnte, die er liebte und er wollte keine Fehler machen.
Zu sehr nahm ihn auch diese Gespräche und Entscheidungen, die er treffen sollte, mit. Erinnerungen an seine Eltern, die er weit weg geschoben und unterdrückt hatte, schwappten unaufhaltsam wieder an die Oberfläche. Eiskalt kroch ihm dieses Gefühl den Rücken hinauf. Vielleicht hatte er es auch nie richtig verarbeitet, wurde ihm schlagartig bewusst. Nun standen auch sie wieder im Raum. Auch wenn es doch noch ein Unterschied war, da es für seine Eltern nur einen Grabstein gab und es nie Leichname gegeben hatte, die er hätte beerdigen können. Dadurch, dass seine Eltern in einem Raumschiff gesessen hatten, welches von den Outridern völlig zerstört worden war, hatte man sie irgendwann für Tod erklärt, auch wenn keine menschlichen Überreste gefunden werden konnten. Irgendwann hatte es gereicht, dass sie damals eingecheckt hatten und an Board gegangen waren. Die restliche Bürokratie war jedoch der gleiche Papierkrieg. Nie wieder hatte er das nochmals durchmachen wollen. Erschwerend kam nun aber die Situation mit Josh hinzu. Für Colt war es sonnenklar, dass er den Jungen nicht allein lassen würde. Robin hätte es so gewollt. Auch wenn ihn die innerliche Panik ergriff, plötzlich so etwas wie eine Vaterfigur sein zu müssen. Ein Vorbild, ein Vormund! Er?! Gerade Er?!
Wie die Jungfrau zum Kinde - ja genauso fühlte sich der Amerikaner. Andere „Väter“ hatten 10 Monate Zeit sich darauf einzustellen und wuchsen zusammen mit Junior. Er wurde nun mit einem Schleudersitz in die Rolle katapultiert und fragte sich innerlich, ob er dieser Aufgabe überhaupt gewachsen war. Könnte man ihm überhaupt ein Kind anvertrauen? Er hielt sich doch selbst für einen Kindskopf, der nach wie vor Flausen im selben hatte.
Aber es war gleichzeitig alles was er tun konnte! Das Mindeste! Das hätte Robin gewollt! Das hätten seine Eltern erwartet! Wenn er schon beim Schutz seiner Liebsten versagt hatte, wollte er es bei Josh nicht auch noch tun und für ihn da sein. Aber wie um Himmels Willen, sollte das funktionieren? Ihm würde doch kein Jugendamt der Welt ein Kind anvertrauen. Ein Soldat, davor Kopfgeldjäger - war er überhaupt der richtige Umgang? Die Gedanken zerfraßen ihn. „Ach Robin….“ wehmütig holte er sich ihr bildhübsches Gesicht in Erinnerung. Seine sonst so strahlenden blauen Augen waren trüb und blass geworden. Es schimmerten leichte Tränen darin.
Was würde sie ihm jetzt sagen? Sie sah so viel mehr in ihm, als er selbst erkennen konnte. Sie hatte an ihn geglaubt und ja auch ihm immer wieder Josh anvertraut. Würde diese kluge Pädagogin es zulassen, wenn sie es anders gesehen hätte? Mit Sicherheit nicht? Aber was kann er einem Kind überhaupt bieten? Schon allein das Wohnen war jetzt eine Frage. Wie? Wo? Colt wusste, er hatte Verpflichtungen im Oberkommando. Er konnte Josh nicht in Tranquility lassen. Aber war ein Umzug zu viel verlangt? Gerade jetzt? Oder war ein harter Cut und Neuanfang doch besser? Colt vergrub seinen Kopf zwischen den Händen und rieb sich die schmerzenden Schläfen. Es gab so viele Fragen und so wenige Antworten. Eher türmten sich immer mehr Fragen auf. Gefühlt drohte er, daran zu ersticken.
Vielleicht sollte er einmal mit Eagle sprechen, welche Möglichkeiten und Unterstützung seitens des Arbeitgebers möglich waren. Dazu schätzte er seine Erfahrung und Meinung auch als Mensch, der inzwischen so etwas wie eine Vaterfigur für das Team geworden war. Außerdem war dieser auch selbst alleinerziehend geworden. Vielleicht konnte er sich den ein oder anderen Rat holen. Immerhin hatte der Commander seine Unterstützung angeboten.
Als er so in seinen Gedanken versunken war, klingelte es an der Tür seines Appartements. Wer mochte das nur sein? Besuch erwartete er eigentlich nicht.
Überrascht sah er nach dem Öffnen in Aprils lächelndes Gesicht, die einen großen Topf in den Händen hielt, während je eine Tragetasche über ihrem Unterarme links und rechts baumelte. „Howdy Cowboy“, begrüßte sie ihn und versuchte möglichst normal zu klingen, was aber auch ihr nicht leicht in der Trauer fiel. Aber sie wollte stark sein - für ihn.
Immer noch verblüfft sah Colt seine Kameradin an, als sie ihr Mitbringsel anhob und in Sichtweite brachte. „Ich hab mir gedacht, dass du mal etwas zwischen die Kiemen brauchen könntest“, erklärte sie ihm ihren Besuch.
“April….ich .. also…“ Der Amerikaner war etwas perplex vom Besuch. „Ich… ich hab gar keinen Hunger, wenn ich ehrlich bin….“ sprach er leise weiter und zog sich den Hut so in die Stirn, damit er ihr nicht in die Augen sehen musste. Sie hatte sich scheinbar Mühe gemacht. Es war ihm etwas unangenehm. Dazu sah er bestimmt völlig fertig aus und hatte sich die letzten Tage gehen lassen.
Aprils Gesichtsausdruck war von Verständnis gezeichnet. Die Situation schlug einem einfach auf den Magen. „Dann heb es dir einfach für später auf“, schlug sie ihm vor und ging einen Schritt auf ihn zu. „Das hier wird langsam schwer…“ gab sie einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl: „Oh sorry….“, wich Colt zurück und gab der Blondine so den Weg in seine Wohnung frei. „Ich bin aktuell nicht so ein guter Gastgeber“, murmelte er mit belegter Stimme und sah ihr nach, als sie an ihm vorbei in seine Küche ging und den großen Topf auf das Ceranfeld stellte.
„Nicht schlimm, Colt", versicherte der weibliche Star Sheriff, als sie die Tragetaschen von den Armen nahm und auf der Arbeitsplatte zwischen gebrauchten Kaffeetassen, etwas Besteck und einer verkokelten Pfanne mit einem total verbrannten Spiegeleis, platzierte. Scheinbar war das der klägliche Versuch des Verstands gewesen, doch etwas zu essen und ging gründlich in die Hosen. Sie rieb sich leicht die Haut, an denen die Riemen etwas eingeschnitten hatten, ehe sie sich umdrehte.
So wie sie den Cowboy über all die vielen Jahre kennengelernt hatte, wusste sie, dass ihm jetzt auch nicht der Kopf nach Kochen oder dergleichen stand. Selbst sein geliebtes Barbeque würde aktuell an ihm abprallen wie Regen auf einer Lotusblüte. Besorgt drehte sie sich wieder zu ihm und musterte ihr Gegenüber. Er sah schlecht aus. Zwar hatten sich die Star Sheriffs gegenseitig schon alle mit dicken Erkältungen oder fiesen Magen/Darm-Virus erlebt. Aber heute war das nochmals anders.
Innerlich überlegte sie gerade, wie sie ein Gespräch anfangen konnte, ohne irgendwie lästig zu sein. Wie immer, wenn sie nicht genau wusste, was sie tun oder sagen sollte, biss sie sich leicht auf ihre Unterlippe und ließ den Blick durch die Küche wandern.
Ja, es war gerade chaotisch in seinen vier Wänden. Wobei, wenn sie ganz ehrlich zu sich war, war meistens etwas Unordnung, wo der Texaner kreuchte und fleuchte. Innerlich musste sie fast ein bisschen schmunzeln, wenn ihr da so manche Situation auf Ramrod in den Sinn kam. Sie hatten schon einiges zu viert erlebt und jeder musste mit den Macken des anderen klarkommen. Anfangs war das nicht leicht gewesen. Sie waren ja doch vier völlig verschiedene Charaktere und Gemüter. Aber nach anfänglichen Zusammenraufen hatten sie irgendwann ihren Weg gefunden.
Beim Blick ins offene Wohnzimmer konnte sie auch erkennen, dass Colt vermutlich nachts statt im Bett, auf dem Sofa genächtigt hatte. Zu sehr erinnerte er sich an die schönen Stunden und Nächte, die er hier mit seiner Verlobten verbracht hatte. Noch immer lag ihr Duft in seinen Laken und er ertrug es derzeit einfach nicht.
Eine Decke, mehrere Kissen lagen am Boden vor der Couch. Dazu ein paar Klamotten und Schuhe. Seine Waffe lag untypisch für ihn, auch einfach so daneben. Diverse Zettel und sein Laptop standen auf dem kleinen Wohnzimmertisch davor und ein Glas mit einer braunen Flüssigkeit, die nicht nach einem Softgetränk aussah.
Ihr Blick führte zurück zu Colt, der vor dem Küchentisch stand und wieder vor sich auf die Unterlagen des Bestattungsinstituts starrte. April schluckte merklich und war froh, dass sie selbst noch nie solche Entscheidungen hatte treffen müssen. Dazu entdeckte sie eine Flasche Whiskey samt Glas dort stehen. Und somit war ihr auch klar, was da im Wohnzimmer stand. Naja, genau genommen war es nur noch eine drittel volle Flasche. Sie atmete durch. Verständnis hatte sie, aber er durfte nicht abrutschen.
„Ich weiß, es ist eine blöde Frage …“, begann sie leise, „aber wie geht es dir heute?“. Die Empathie und ihr Mitgefühl in ihrer Stimme blieb dem Scout nicht verborgen, ohne jedoch mitleidig zu klingen. Er wollte kein Mitleid. Und trotzdem wusste er, dass sie wirklich daran interessiert war, was in ihm los war. Auch war ihm klar, wie es hier gerade aussah, wie er aussah, aber es kam kein Vorwurf. Beides schätzte er an ihr.
Colt ging ein paar Schritte zurück und lehnte sich lässig an die Küchenwand hinter sich und rieb sich über die Nase. „Ich … Ich weiß einfach nicht, was sie sich gewünscht hätte…“, sprach er ehrlich seine Gedanken aus und wies mit dem Kopf auf die Unterlagen, ohne seine Kollegin anzusehen. Er fühlte, wie seine Augen wieder feucht wurden, wie so oft die letzten Tage. Wieder vergrub er seine Augen unter dem Hut und vermied so jeden Blick zu ihr. Auch der grausame Kloß in seinem Hals plusterte sich binnen Sekunden wieder auf und gab ihm das Gefühl, gleich zu ersticken.
Ja, das hatte sich die junge Französin fast gedacht, ging es ihr ja ähnlich. Gleichzeitig sagte der Cowboy damit das Offensichtliche, aber ließ den Rest der Trauer tief in sich. Er schien eine kleine Mauer um sich herum errichtet zu haben. April respektierte, dass er nicht über seine Gefühle sprechen wollte oder gar konnte. Für einen Mann wie Colt, war es generell schwer, über Gefühle zu reden. Und jetzt in dieser Situation erst recht. Sie wäre da, wenn er soweit war oder sie brauchte. Sie hoffte, er würde das innerlich wissen und in Anspruch nehmen, wenn er wollte.
„Ich weiß es natürlich auch nicht, aber Vorschlag Cowboy: ich setz mich gern dazu und wir überlegen zusammen, was Robin gefallen hätte.“
Colt hob den Kopf und zum ersten Mal seit April angekommen war, sah er sie direkt an. Aprils Herz verkrampfte sich bei dem verzweifelten und fertigen Ausdruck in seinen Augen: „Das würdest du tun?“ Man hörte etwas Hoffnung in seiner Stimme.
Sie trat an ihn heran und berührte ihn sachte am Arm: „Ja, selbstverständlich Colt - wofür hat man Freunde. Deine aber auch Robins“, erklärte sie mit einem sanften Lächeln und nickte nochmals, als ob sie ihre Worte damit unterstreichen wollte. „Aber unter einer Bedingung!“
Colt hob die Augenbraue und seufzte. „Wieso wusste ich, dass da noch was kommt?“ kam es fast schon ironisch, als sein Mundwinkel kurz zuckte. Hoffentlich kein Shoppingtrip.
April schmunzelte kurz: „Nicht das, was du denkst: du isst jetzt dann wenigstens ein paar Happen und dann kümmern wir uns um Robins Abschied. Einverstanden?“
Ein kurzes Brummen war die Antwort. Er ahnte, dass sie kein Nein akzeptieren würde. Und ja, er hatte die letzten Tage kaum gegessen.
„Was hast du denn da eigentlich gezaubert?“ fragte er dann doch neugierig, auch wenn er keinen Hunger verspürte. Erleichtert über ihren kleinen Triumph hob sie den schweren Deckels des türkisen gusseisernen Topfes: “Ein leckeres Saftgulasch - wie du es gerne magst“. Ein herrlicher Duft durchströmte im Nu Colts kleine Küche, als noch etwas Dampf aufstieg, der dann doch an seinem Gaumen kitzelte. Er mochte ihre Kochkünste. Mit einem Fleischgericht hatte sie den richtigen Riecher gehabt.
„Hmmm, das riecht wirklich gut“, entgegnete er ehrlich und linste etwas in den Topf hinein. Es war auch reichlich da, musste er feststellen. Sie hatte wohl immer noch die Mengen von Ramrod im Kopf, die Saber, Fire und er so tagtäglich verdrückten. Das hier hätte für mehr als drei hungrige Männer und eine Navigatorin für 2 Tage gereicht. Da war er sich mehr als sicher, war er sich da.
„Ich wärm es nochmals richtig auf“, mit diesen Worten wandte sie sich wieder dem Ofen zu und schaltete das Ceranfeld ein. Danach holte sie das frische Baguette aus einer der Tragetaschen und suchte dann nach einem Messer und Brett, ehe sie das Brot in diagonale Scheiben schnitt, obwohl es ja einer Französin im Herzen weh tat, dieses Brot zu schneiden. Ein Baguette wurde ja normal nur gezupft. Mit einem gefundenen Kochlöffel rühre sie zwischendurch das Gulasch um. Der Duft intensivierte sich immer mehr.
Colt wandte sich zum Tisch und schob die Unterlagen und Prospekte erstmal auf einen kleinen Stapel und legte diesen dann auf das Sideboard. Währenddessen öffnete April den Kühlschrank und … blickte in gähnende Leere. Ja, das hatte sie sich gedacht und war froh, auf ihren siebten Sinn gehört zu haben und für ihren Kameraden einkaufen gewesen zu sein.
Sie hatte sich vorstellen können, dass Colt zwar an Josh und Robin dachte, aber sich selbst dabei völlig vergaß. Er war in den wenigen Tagen blass und fahl geworden. Dicke Augenringe zierten sein Gesicht. Rasiert hatte er sich seit dem letzten Einsatz auch nicht mehr und der Dreitagebart war schon längst viel mehr Richtung Vollbart unterwegs.
Aber das war in dieser Situation auch mehr als verständlich. April begann ihre Taschen auszupacken und den Kühlschrank zu füllen: ein bisschen von allem hatte sie sich gedacht, was er neben Frühstücken auch so schnell snacken oder sich ohne Aufwand machen konnte. Dazu natürlich 2 Flaschen seines geliebten Guavensaft und eine Cola.
„Danke April … Ich…“ fand Colt grad nicht die passenden Worte und schluckte merklich.
„Alles gut - Du musst mir nicht danken“, lächelte sie ihn an und gab dann noch die Hälfte vorgekochten Kartoffeln zum Erhitzen in den Dampfgarer.
Einige Minuten später saßen die Freunde bei einem Gläschen Guavensaft und je einem dampfenden Teller Gulasch, garniert mit einem Klecks Crème fraîche am Tisch. In Gesellschaft aß es sich dann doch leichter, als wenn Colt hier alleine vor seinem Essen gesessen wäre. Es war ruhiger als sonst, wenn sie zusammen aßen, aber auch mehr als verständlich aufgrund der Umstände. Colts Appetit kam allerdings glücklicherweise beim Essen und April freute sich, dass er sogar etwas Nachschlag forderte. Somit hatte er endlich mal wieder etwas Vernünftiges im Magen. Nur so würde er die Kraft haben, die nächsten schwierigen Tage auch durchzustehen.
Als er mit dem seinem letzten Stück Baguette den Rest der Sauce auf seinem Teller aufgetunkt und verspeist hatte und ließ sich Colt auf dem Stuhl zurücksinken und rieb sich den Bauch. „Hmmm, ich platze… aber das war gut“.
April kicherte zufrieden bei der Geste. „Na dann ist ja gut“. Ihr Plan war aufgegangen.
Gerade als sie in Begriff war, die Teller abzuräumen und aufzustehen, fuhr ihr der Cowboy in die Quere. „Nichts, da - du hast gekocht, ich räume ab“.
Die Blondine hob die Hände und lies den Hausherren gewähren. Auch wenn er eigentlich nur alles an Geschirr und Besteck nahm und auf die Arbeitsplatte zum restlichen Zeug stellte. Er hatte ja nur etwas von „ABräumen“ gesagt, von „AUFräumen“ war nicht die Rede gewesen.
Währenddessen holte sich April die Unterlagen vom Sideboard und wie versprochen, half sie Colt und laß sich einiges durch und blätterte in den Prospekten. „Gibt es schon einen Termin?“, fragte sie schließlich gerade heraus ohne aufzublicken.
„Ja, Samstag in 1 Woche“, bekam sie zur Antwort, als Colt sich wieder auf seinen Stuhl fallen ließ. „Ich hoffe nur, Josh ist dahin soweit!", fügte er leise hinzu. „Ich kann Robin doch nicht ohne ihn begraben lassen?!“. Erneut drückte ihm etwas die Kehle ab und die Schuldgefühle krochen wie eiskalte Schauer, seine sonst so breiten Schultern hinauf, die aktuell eingefallen und schwach wirkten.
April griff über den Tisch hinweg zu seiner Hand und drückte sie freundschaftlich. „Lass uns morgen mal mit den Ärzten telefonieren, was sie dazu sagen, okay?“, machte sie den vernünftigen Vorschlag. „Ja“, kam es nur mit einem Hauch von Stimme, während er nickte.
Eine Weile blätterten die Freunde in den Unterlagen und tauschten sich aus. Vieles konnten sie nicht eindeutig beantworten, da ihnen eben die Wünsche Robins hierzu fehlten. Frustriert hatte Colt am liebsten alles an die Wand geworfen, aber April hatte ihn doch noch beschwichtigen können und zusammen beschlossen sie, etwas schönes und stimmiges zusammenzustellen, was ihnen für Robin zusagen würde. ‚Die Geste zählt und ich bin sicher Robin sieht es und freut sich, wie viel Mühe und Gedanken du dir machst‘, hatte sie ihm immer wieder gesagt und irgendwann hatte Colt eingesehen, dass sie recht hatte. „Sollte Josh nicht auch seine Meinung dazu haben?“, stellte er die Frage, die ihn beschäftigte. „Außerdem: soll sie in Tranquility beigesetzt werden oder hier?“. Colt raufte sich die Haare. Wie sollte er hier die Entscheidungen für immer regeln?
“Vielleicht - ich weiß leider auch nicht, ob wir es ihm zumuten sollten? Aber Übergehen wäre auch nicht fair“, stimmte die Blondine zu und Colt nickte. Genau das bereitete ihm gerade Kopfzerbrechen.
April lehnte sich zurück und reckte ihren schmerzenden Rücken durch, bevor sie sich die Hand vorhielt und kräftig gähnte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon sehr spät war. „Am besten fragen wir da morgen auch direkt bei den Profis nach“, schlug sie ihrem Kameraden vor, der den Vorschlag annahm. „So und nun solltest du dich etwas hinlegen Colt - so wie ich dich kenne, kann man die Stunden, die du geschlafen hast, an einer Hand abzählen“,
“Naja, fast“ gähnte nun auch der Cowboy und kratzte sich am Bauch. „Eher an 2“ verzog er den Mund zu einem missglückten Lächeln.
„Dann ab mit dir: Ab ins Bad und dann ins Bett!“ sprach April streng gespielt.
„Ja, Mami - aber nur Bad. Ich schlafe auf der Couch!“ kommentierte der Texaner fast spöttisch, ehe er sich erhob und nach nebenan ging. Hauptsache er schlief - wo war April eigentlich egal. Während Colt seine Katzenwäsche im Bad machte, sammelte der weibliche Star Sheriff die beiden Whiskygläser und die fast leere Flasche ein. Ein Glas Guaven Saftschorle mischte sie ihm an und platzierte es am Wohnzimmertisch. Die benutzten Gläser landeten in der Spülmaschine, der Alkohol erstmal im Wohnzimmerschrank. Ganz gefiel ihr das nicht, aber sie wollte sich nicht einmischen oder übergriffig sein. Dann wuselte sie kurz durch sein Wohnzimmer, sammelte die Schuhe und Klamotten ein und richtete seinen Schlafplatz her.
Just in diesem Moment trottete ein Cowboy in Boxershorts zurück ins Wohnzimmer und setzte sich, ehe er seinen Hut das erste Mal an diesem Abend ablegte.
April hob die Decke an: „Hinlegen!“ und unterstrich ihre Anweisung mit einer Kopfbewegung. „Willst du mir jetzt noch ein Schlaflied singen?“ moserte Colt, ehe er sich doch in sein Schicksal fügte und sich hinlegte. Er war doch auch schon sehr geschafft und müde. ‚Aprils Glück‘, dachte er sich. Denn sonst hätte er es ihr nicht so einfach gemacht und so leicht nachgegeben. Normal kostete er es aus, sie etwas zu ärgern und zu necken. „Wenn du darauf bestehst?", zwinkerte die junge Frau ihrem Kollegen zu.
„Heute nicht mehr Prinzessin - aber ich schreibe es auf meine Wunschliste“, kommentierte Colt, ehe er wieder lauthals gähnte und von ihr zugedeckt wurde.
„ Alles klar, Cowboy," schmunzelte sie. „Und jetzt versuch eine Mütze voll Schlaf zu kriegen, okay?“ riet sie ihm mit einem liebevollen Lächeln.
„Gute Nacht“.
“Gute Nacht“, entgegnete auch er, ehe er noch seine Hand auf die ihre legte und kurz drückte „…. Und danke nochmals… danke für alles heute“,
„Gern geschehen, Colt", sie nickte kurz und schloss für einen Moment die Augen, ehe sie sich ihm entzog und aufstand. „Ich pack das Essen eben noch in Kühlschrank, dann geh ich zu mir. Ich zieh die Tür zu“, versicherte sie ihm.
„Merci!“, murmelte ein müder Cowboy in seinen Bart. Er kämpfte bereits mit den Augen.
„De rien!“, hörte man nur noch Aprils Stimme, die das Licht im Wohnzimmer löschte und sich um den Rest vom Gulasch kümmerte. Als sie wenige Momente später leises Schnarchen vernahm, beschloss sie kurzerhand noch eben klar Schiff zu machen. Schnell war die Küche komplett aufgeräumt, alles Geschirr und Besteck in der Maschine und eingeschaltet, die Holzteile und die Pfanne per Hand gewaschen und die Arbeitsflächen abgewischt. Den Müll hatte sie fertig gemacht und würde sie nachher noch schnell hinunterbringen. Colt bekam davon nichts mit. Wie froh war sie, dass er heute scheinbar endlich mal wieder zur Ruhe kam.
Danach huschte sie kurz ins Bad und räumte auch hier das entstandene Chaos auf, füllte die Waschmaschine und programmierte sie für den Morgen. Ja, das Schlimmste war erledigt und so konnte es erstmal bleiben.
Bevor sie ging, schlich sie sich leise nochmals zu ihrem Kameraden. Sie wollte nochmals nach ihm sehen. Colt schlief zwar, aber doch unruhig. Immer wieder bewegte oder zuckte er. Vorsichtig nahm sie den Saum der Decke und zog sie ihm etwas nach oben über die nackten Schultern.
„Shhhhh….“ sprach sie leise und strich ihm sanft mit dem Handrücken über die Wange. Sie hoffte, ihn damit ein wenig beruhigen zu können. Seine Gesichtszüge entspannten sich daraufhin etwas.
Gerade, als sie sich erheben wollte, griff Colt im Schlaf nach ihren Fingern…. „Robin….“ und zog ihre Hand zu sich heran.
April verkrampfte, riss die Augen erschrocken auf und schaffte es gerade noch, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Nach dem kurzen Schreckmoment entspannte sie sich wieder, als sie merkte, dass Colt weiter schlief. Allerdings hielt es ihre Hand noch und da sie nach ein paar sachten Versuchen merkte, dass sie kräftiger ziehen müsste, um los zu kommen und ihn damit vermutlich wecken würde, setzte sie sich auf die kurze Seite des L-Förmigen Sofas und hoffte, dass Colt seinen Griff irgendwann lockern würde.
Wie lange sie hier so gesessen hatte, und wie oft sie ihre Finger leicht bewegt hatte, um vielleicht doch noch loszukommen, wusste sie nicht mehr. Aber auch an ihr nagte die Müdigkeit. Und so gewann diese irgendwann und April fielen die schweren Augen zu. Bequem war das alles natürlich nicht, aber auch ihr Körper gab irgendwann nach und merkte nicht mehr, dass Colt sie irgendwann losgelassen hatte.
Irgendwann gegen halb vier wurde Colt plötzlich wach. Hatte er wieder schlecht geträumt? Er war noch nicht ganz klar im Kopf. Er blinzelte etwas, als ihm auffiel, dass in der Küche das Licht noch brannte. Hatte April etwa vergessen, es auszumachen, als sie gegangen war? Er gähnte und streckte sich etwas, als plötzlich gleichmäßige Atemgeräusche in sein Ohr drangen.
Erst jetzt bemerkte er im Lichtkegel einen blonden Schopf. Im ersten Moment machte sein Herz einen Sprung. „Robin?!“ hauchte er fast stimmlos, fast so, als hätte er Angst, sie könnte wieder verschwinden, wenn er zu laut war und streckte zitternd die Finger nach ihr aus. Er wagte es nicht, sie zu berühren, so ängstlich war er. Er hatte Bedenken, sie könnte zerplatzen, wenn er sie berührte. War Robin zurück?!
Er blinzelte etwas und sah genauer hin. Doch dann sah er eine lange Strähne, die über ihre Schulter nach vorne ragte. Jetzt wurde ihm die Mähne und die Kleidung bewusst: es konnte sich nur um die Haarpracht seiner Kollegin handeln. Traurig stürzte er sich auf und betrachtete sie wortlos. Wollte April nicht in ihr Apartment? Warum lag sie dann hier auf dem Sofa und dann auch noch so komisch verdreht? Das tat ja schon beim Anblick seiner Bandscheiben weh!
Er setzte sich auf. Colt brauchte einen Moment und starrte vor sich hin.
Erst nach ein paar Sekunden fiel ihm auf, dass es im Wohnzimmer ordentlich war. Auch das, was er von der Küche von hier aus sehen konnte, wirkte aufgeräumt. ‚Sie hat doch nicht…‘ und doch wusste er die Antwort bereits. Warum sie aber hier in einer undefinierbaren und äußerst unbequem aussehenden Yogaposition ohne Decke auf dem kurzen Couchteil lag, würde sie ihm später noch erklären müssen. Aber so konnte er sie ja nicht lassen.
Colt überlegte kurz, stand auf und trat vor sie. Vorsichtig griff er nach ihrem Arm, bückte sich und legte ihn sich in den Nacken. Dann schob er seinen Arm unter ihre Beine und zog sie sachte auf seine starken Arme. Ein kleines Brummen war zu hören. „Was ist los…?“ kam es murmelnd und schlaftrunken von April.
„Alles gut Prinzessin. Festhalten! Ich bring dich ins Bett", flüsterte er ihr zu, als er sich gänzlich mit ihr erhob und sie in Richtung Schlafzimmer buxierte.
Ihm war es aktuell unmöglich, sich in dieses Bett zu legen. Aber Robin würde sicher nichts dagegen haben, wenn ihre gemeinsame Freundin heute Nacht darin schlief. Er zog die Bettdecke zurück, legte April auf die Matratze und deckte sie danach zu. „Schlaf gut“, murmelte er schließlich, als er ihr noch ein paar freche Strähnen aus dem Gesicht strich. Ein wohliges „Hmmhmm..“ war alles, was sie von sich gab und schlief weiter, damit sie nicht gekitzelt wurde.
Er war froh, dass April nicht gänzlich wach geworden war und so ging er zurück in sein Wohnzimmer. Vielleicht konnte er noch ein paar Stunden Erholung finden. Sein Blick fiel auf den aufgeräumten Tisch. Wo war denn sein Glas hin? Nach prüfendem Blick auch in der Küche fand er den Whiskey nicht. Fast ein wenig grimmig suchte er nach dem Hochprozentigen, fand ihn dann aber irgendwann in der kleinen „Hausbar“ in seinem Wohnzimmerschrank. ‚Eigentlich logisch‘, musste er sich eingestehen, nahm die Flasche und schenkte sich ein Glas ein. Er bewegte seine Hand und ließ so die bernsteinfarbene Flüssigkeit sich im Uhrzeigersinn drehen. Sein Blick versank regelrecht im kleinen Strudel des Alkohols. Er seufzte tief, ehe er das Glas mit einem Zug leerte. Der Whiskey brannte ihm die Kehle hinab. Das war gut - betäubte seine Sinne ein wenig. Er nahm die Flasche mit zu seinem Schlafplatz und füllte das Glas wieder auf. Colt bekam gar nicht mehr mit, wie er auch das letzte Drittel der Flasche intus hatte, irgendwann zur Seite gekippt war und in einen traumlosen Schlaf gefallen war. Das leere Glas rollte aus seiner Hand. Wenigstens keinen Traum. Das war das, was er sich erhofft hatte, in dem er seine Gefühle mit Alkohol ausschalten konnte.
Die nächsten zwei Tage führte Colt viele Gespräche: mit Joshs Ärzten, mit Saber und auch Commander Eagle hatte sich freigeschaufelt und für den Cowboy viel Zeit ermöglicht. Vor allem Letzteres bedeutete ihm viel und half ihm seine Gedanken zu sortieren und er bekam Möglichkeiten der Unterstützung des Oberkommandos erklärt. Er konnte Charles aber auch Persönliches fragen, was ihm sehr gut tat. Deshalb hatte der Franzose auch vorgeschlagen, dass sie sich außerhalb des Militärs treffen sollten und hatte den Texaner zu sich nach Hause eingeladen. Eine große Geste, wie Colt fand. Eigentlich war er nur zwei Mal hier gewesen: Einmal nur kurz, als er die Tochter des Hauses heim gefahren hatte - und das zweite Mal zu Aprils 25. Geburtstagsparty, die wirklich nicht von schlechten Eltern gewesen war, musste der Cowboy zugeben. Heute durfte er hier in der Eagelschen französischen Landvilla essen. So privat wie heute, hatte sein Vorgesetzter auch noch nie mit ihm gesprochen. Und er war sich sicher, dass der Commander das hier sicher nicht jedem Soldaten anbot. Aber zwischen ihm und der Ramrod Crew gab es ein besonderes Band. Es war mehr als Chef und Angestellte.
Die Haushälterin hatte ein leckeres Essen vorbereitet und so saßen die beiden Männer in lockerer Atmosphäre zusammen und sprachen zunächst über Gott und die Welt. Es sollte ja kein Arbeitsessen werden und Colt war anfangs ziemlich steif und angespannt. „Mein Kompliment an die Köchin“, sprach Colt schließlich und legte das Besteck ab. Charles lächelte zufrieden. „Ich werde es ihr morgen ausrichten. Sie hat bereits Feierabend“, erklärte der Hausherr und aß danach den letzten Bissen. Danach griff er nach seinem Weinglas. „Wollen wir ins Wohnzimmer wechseln?“, bot er an und nachdem sein Gast zugestimmt hatte, gingen sie nicht ohne die Flasche Wein nach nebenan in das stattliche und heimelige Wohnzimmer.
Colt sah sich ein wenig um. Geschmackvoll was es eingerichtet. Er war zwar noch nie in Frankreich gewesen, aber so konnte er es sich gut vorstellen. Ein großer, heimeliger Raum mit ebenso großen Fenstern, dazu eine große Terrassentür. Bodenlange, helle Vorhänge säumten sie ein. Der Commander öffnete die Tür, um etwas Abendluft hereinzulassen. Ein funkelnder, nicht zu aufdringlicher Lüster erhellte den Raum.
Der Blickfang im Zimmer war neben einem großen weißen Flügel, der etwas seitlich im Raum auf einem runden Teppich prangte, noch der große offene Kamin, auf dessen Sims einige gerahmte Bilder standen. Noch war keine Zeit zum Heizen, aber auch so dekorierte er den Raum vortrefflich. Bei der damaligen Party waren Colt die Aufnahmen nicht aufgefallen, aber heute stachen sie ihm regelrecht ins Auge. Er ließ seinen Blick von einem zum nächsten wandern. Eins zeigte April als kleines Mädchen, eins als erwachsene Frau. Daneben stand das Hochzeitsbild seines Vorgesetzten mit seiner Frau. Sie waren ein schönes Paar gewesen, musste er zugeben. In der Mitte entdeckte er ein Porträt von Mrs. Eagle. Eine hübsche Frau. Man sah deutlich, woher seine Kollegin die Gene bekommen hatte, auch wenn sie die tiefgründigen, blauen Augen eindeutig vom Vater vererbt bekommen hatte.
Danach entdeckte er ein Foto der jungen Familie Eagle mit der neugeborenen Tochter auf dem Arm. Ein kleines Lächeln formte sich auf seinen Lippen. Familie…. Wie gern hätte er mit Robin eine gegründet. Wie gern hätte er seine Eltern heute noch. Beides war ihm nicht vergönnt.
Rechts davon stand ein ihm bekanntes Bild der Drei, welches er von Aprils Quartier auf Ramrod kannte.
Der Commander beobachtete Colt und kam einige Schritte auf ihn zu. Er konnte dessen Gedanken gerade nur erahnen. Um das Thema etwas anzuschneiden, begann er zu erzählen: „Es passierte 3 Monate nach diesem Foto“. Der Cowboy schluckte.
“Wie alt war April da?“, wollte er danach wissen.
„Sie war gerade 9 geworden“, beantwortete Charles die Frage.
„Furchtbar….“ war Colts Reaktion, als er sich von den Bildern abwandte, sein Weinglas, das er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, leerte und sich zu seinem Gastgeber wieder umdrehte. . „Ja…“, stimmte der Ältere zu, bevor er ihm dann mit der Hand den Weg zum großen Sofa wies.
Als sie beide Platz genommen hatten, füllte der Hausherr die Gläser erneut und musterte den Star Sheriff etwas. Er gefiel ihm nicht. Der junge Mann hatte abgebaut und war blass. Er hatte sich zwar am Morgen nach langer Zeit mal wieder rasiert aufGrund der Einladung heute, aber die Augenringe sprachen doch deutliche Bände.
Zunächst kam der Commander seiner Fürsorgepflicht nach und erkundigte sich über Colts, aber auch Joshuas Zustand. Als Colt anfänglich ein schnelles „gut" aussprach, legte Eagle den Kopf etwas schief und sah seinen Scharfschützen skeptisch an. „Du brauchst mir nichts vormachen oder Stärke zeigen Colt, wir sind hier privat!“, betonte er nochmals und sah, wie der Cowboy seine verkrampfte und starre Haltung etwas lockerte. Er atmete tief durch und suchte nach den passenden Worten.
„Leere …“ kam es plötzlich vom Älteren.
„Hilflosigkeit, Angst und Wut!“ fuhr Charles fort, während er einen väterlichen Blick für den Amerikaner hatte, der verwundert auf blickte. Gerade vermisste er etwas den Schutz seines Hutes, den er sich sonst vermutlich weiter ins Gesicht gezogen hätte. Anstandshalber hatte er diesen aber abgesetzt und die Haushälterin hatte ihn sofort an die Garderobe entführt.
Ein fast stimmloses „ja“ entgegnete Colt und nickte bestätigend. Irgendwie hatte Eagle gerade den Nagel auf den berühmten Kopf getroffen. Der Commander traf genauso gut wie er, dachte er sich.
„Weißt du Colt, ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Frau, die einem die Welt bedeutet, so brutal und unerwartet aus dem Leben gerissen und einem genommen wird“, erklärte er weiter als Colt seinen Blick wieder auf sein Gegenüber richtete und erneut nickte. „Es ist nicht fair!“
Der Commander griff zum Weinglas und nippte vom edlen Tropfen. „Ja, es ist nicht fair“, stimmte er zu, als auch er etwas nachdenklicher wurde und sich die Bilder der Vergangenheit in den Sinn rief. Obwohl es nun schon über ein Jahrzehnt her war, waren die Erinnerungen beklemmend.
„Hört das irgendwann auf, Sir?“, stellte Colt die Frage, die ihn schwer beschäftigte.
„Charles…solange wir nicht im Dienst sind“, berichtigte der Commander seinen Gast, denn sie waren jetzt nicht im Oberkommando und nach all dem was bereits war, hielt er es für angebracht.
„Es wird leichter..“ antwortete der Gefragte weder mit „ja“ oder „nein“. Denn man konnte es auch nicht einfach so sagen.
„Je mehr Zeit ins Land zieht, um so leichter wird es. Das Leben selbst tritt wieder in den Vordergrund, der Alltag übernimmt und Wunden fangen an zu heilen. Aber Narben werden nie ganz vergehen“, er machte Colt nichts vor. „An manchen Tagen schmerzen sie, an vielen Tagen nicht mehr und trotzdem sind sie Zeitzeugen dieser schlimmen und grausamen Zeit“.
“Das sind ja tolle Aussichten“, brummte der Cowboy ironisch. „Aber ich verstehe, was Sie sagen wollen, Charles."
Kurz darauf herrschte Stille im Zimmer, so als ob jeder der beiden Männer seine Gedanken ordnete.
„Ich hätte da sein müssen…“ sprach Colt aus, was ihn innerlich zerriss. „Ich habe die Beiden im Stich gelassen.“ Im Cowboy stieg Wut auf. Wut auf sich selbst und er ballte seine Fäuste.
„Nein, Colt. Du hast sie nicht im Stich gelassen. Du hattest Befehle auf einem anderen Planeten und hast diese befolgt. Durch deinen Einsatz wurden viele Menschenleben und Familie verschont“, rief der Vorgesetzte ihm wieder ins Gedächtnis. „Aber ich konnte meine eigene Familie nicht beschützen“, wiederholte er seine Schuldgefühle. „Ja, weil du dich nicht zweiteilen kannst. Und selbst wenn ihr vor Ort gewesen wärst, wäre es keine Garantie, dass ihr alle hättet beschützen können. So hart das auch klingt“, widersprach ihm der Commander. Er wusste, diese Erkenntnis schmerzte extrem, aber er musste begreifen, dass es für nichts eine Garantie gab. Leider.
„Darf ich fragen, was genau passiert ist?“, fragte der Texaner vorsichtig nach. Er wusste zwar von April, dass ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, aber er hatte nie weiter nach den Umständen gefragt und sie hatte nie mehr erzählt.
Commander Eagle nickte und dachte zurück an dieses tragische Ereignis.
Er würde es nie vergessen. Dieser Anruf, der damals seine Welt aus den Angeln holte und nichts mehr so war wie zuvor. Das beklemmende Gefühl im Magen, war trotz all der Jahre, die vergangen waren, sofort wieder da. Aber er wusste, dass das Reden gut tat - ihnen Beiden.
„Es war wieder mal ein Tag, der eigentlich anders geplant war“, begann Charles seufzend zu erzählen. „April hatte an dem Tag ein wichtiges Tennisturnier und ich hatte ihr versprochen, mitzukommen und sie zu unterstützen. Und wie es kommen musste, kamen meine Verpflichtungen uns mal wieder in die Quere.
- Rückblick -
Isabella fragte ihre Tochter April noch einmal besorgt: „Hast du auch wirklich alles, was du brauchst?“ Die Familie Eagle erreichte gerade das große Auto im Parkhaus des Wohnkomplexes des Oberkommandos. Der Vormittag war schon sehr anstrengend gewesen, und April war heute noch lebhafter als sonst. Die Aufregung wuchs mit jeder Stunde – nicht nur bei ihr, sondern auch bei ihren Eltern.
Der Commander trug eine große Sporttasche in der einen und eine kleineren Korb in der anderen Hand. Das Mädchen trug ein weiß-rosa Tennis Outfit mit Rock, während ihr zwei Tennisschläger in deren Schutzhüllen quer über die Schultern hingen. Ihr langes Haar war geschickt in zwei französische Zöpfen am Hinterkopf geflochten, damit sie später im Spiel nicht stören würden: „Ja Maman! Aber das hast du mich doch vorhin schon mal gefragt?!", wunderte sich April, die freudestrahlend und ungeduldig um das Auto hüpfte und darauf wartete, dass ihr Vater den Wagen entsicherte. Während Charles seinen Wagen entriegelte, schmunzelte er und sagte: „Ich glaube, da ist jemand aufgeregter als du“, zwinkerte er seiner neunjährigen Tochter zu, die kichernd zustimmte. „Ihr beiden wieder – und am Ende fehlt doch wieder irgendwas!“, erwiderte Isabella, während ihr Mann die Sachen in den Kofferraum verstaute. “Oh chérie, Hauptsache, sie hat ihren Kopf und die Schläger dabei, alles andere ist egal“, kommentierte er und schloss die Klappe.
„Und das Können passt in keine Tasche!“, fügte das Mädchen grinsend hinzu und stieg ins Auto ein. Der Commander schüttelte amüsiert den Kopf, blickte zu seiner Frau und deutete auf die gemeinsame Tochter: „Hört, hört, na wenn das kein Selbstbewusstsein ist“, sprach er und beide lachten.
„Ich freu mich so, dass du heute mitkommst, Daddy!“,sagte April euphorisch und streckte ihren Kopf fröhlich zwischen die Vordersitze, während ihre Eltern darauf Platz nahmen. „Ich mich auch, mein Engel. Dein großes Turnier lass ich mir doch nicht entgehen!“, lächelte er und zwickte ihr kurz in ihre Stupsnase. „Aber nun schnall dich an, wir sollten los. Oder willst du etwa zu spät kommen?“, neckte er sie, während er den Motor startete.
April beeilte sich mit dem Anschnallen und rief mit einem breiten Grinsen: „Nein, ich will als Erste da sein – und alle schlagen!“
Nach einem prüfenden Blick in den Rückspiegel, dass April startklar war, parkte er aus und fuhr in Richtung Ausfahrt.
„Pass nachher auf, dass dein Handgelenk nicht nach vorne kippt, Schatz“, gab er ihre einen Tipp über seine Schulter hinweg. „Aber Daddy, das weiß ich doch - der Ball verliert an Geschwindigkeit und fliegt dann falsch.“
“Sie macht das schon“, mischt sich nun auch Mrs Eagle mit einem Lächeln ein. „Ach, wer ist nun aufgeregter als sie?“, neckte sie ihren Mann ein wenig.
“IHR BEIDE!“ gluckste die kleine Tennisspielerin vergnügt von hinten und alle drei mussten ausgiebig lachen.
Gerade in diesem Moment ertönte plötzlich ein wohlbekanntes - und oft verhasstes - Klingeln. Die Stimmung kippte schlagartig. „Nein, Daddy! Du hast es mir doch versprochen!“, rief April angespannt und verzweifelt von der Rückbank. Isabellas Gesicht verfinsterte sich, und sie sah ihren Mann mit einem ernsten, vorwurfsvollen Blick an. Beide ahnten, was jetzt kommen würde. Der Commander bremste und schickte innerlich ein Stoßgebet gen Himmel. Konnte ihm nicht wenigstens einmal vergönnt sein, bei seiner Familie zu bleiben? „Wartet doch erstmal ab“, sagte er ruhig, bevor er das Gespräch annahm: „Ja, Miss Miller?“
“Commander Eagle, bitte verzeihen Sie die Störung an Ihrem freien Nachmittag“, erklang die Stimme seiner Sekretärin über die Freisprechanlage. Man hörte auch ihr an, dass ihr das Ganze gerade sehr unangenehm war. Wusste sie doch, wie viel ihr Chef arbeitete und dass seine Familie immer wieder zurückstecken musste.
„Was gibt es denn so wichtiges?“, hakte er ungeduldig nach und warf einen Blick in den Rückspiegel. April war angespannt. Und er auch.
„Es tut mir sehr leid, Sir. Aber es wurde eine Dringlichkeitssitzung der Stufe 3 einberufen", führte die Sekretärin soweit aus, so dass ihr Vorgesetzter sofort verstand, dass es ernst war - jedoch zivile Ohren nicht zu viel daraus entnehmen konnten. Der Commander hielt kurz die Luft an und atmete hörbar aus. „Ich verstehe!“, bestätigte er. „Bereiten Sie alles vor - ich mache mich sofort auf den Weg!“ Miss Miller hörte gerade noch das enttäuschte und verzweifelte „NEIN Daddy!“ bevor die Verbindung unterbrochen wurde.
Eagle schnallte sich ab und drehte sich langsam zu seiner Tochter. Seine Kehle war wie zugeschnürt, als er April ansah, der bereits dicke Tränen über die Wangen liefen.
„April … ich…“ es zerriss ihm gerade sein Vaterherz, sie so aufgelöst zu erleben. Er fand gerade nicht die richtigen Worte. Er streckte die Hand nach ihr aus, doch seine Finger zögerten in der Luft, als wüsste er nicht, ob seine Berührung Trost oder nur mehr Schmerz bringen würde. “Es tut mir so leid!” sprach er sanft und blickte in die enttäuschten Kinderaugen, was schwerer zu ertragen war. Er hasste sich dafür, ihr das wieder einmal anzutun.
Die Autotür fiel ins Schloss, und seine Frau stieg wortlos aus, um nach hinten zu ihrer Tochter zu gehen, ihr Blick hart, aber nicht überrascht. Eagle musste nicht hinsehen, um zu wissen, was sie dachte. Er hatte es unzählige Male in ihren Augen gesehen. Sie verstand ihn – zumindest wollte er das glauben – und doch war da diese tiefe Erschöpfung, die sie nicht mehr verbergen konnte.
„Ich wusste es…” sagte sie, als sie die Hintertür öffnete und zu April hinunter ging, die noch immer leise weinte. Sie zog ihre Tochter sanft in die Arme, flüsterte beruhigende Worte, die Eagle nicht hören konnte. Natürlich wusste seine Frau, dass er dies nicht absichtlich tat. Und auch April war inzwischen in einem Alter, in dem sie verstand, was am Job ihres Vaters so wichtig war. Und aufgrund dieser Verpflichtungen war es so schwer seiner Familie gerecht zu werden. Er saß zwischen den Stühlen. Er hatte Verpflichtungen für das Neue Grenzland und deren Bewohner, aber natürlich auch für seine kleine Familie. Und wieder einmal musste diese hinten anstehen.
April war auch nicht mehr das kleine Mädchen, das nicht verstand, warum ihr Vater so oft fort war. Sie war alt genug, um zu wissen, dass sein Job nicht nur irgendeine Arbeit war. Sie wusste, dass er Leben rettete, dass er da draußen die neuen Siedler beschützte. Und trotzdem – trotzdem war da dieser Schmerz in ihren Augen, den Eagle nicht ignorieren konnte. Es war die Trauer darüber, dass sie ihn immer mit so vielen Menschen teilen musste. Sie verstand, aber das machte es nicht leichter. Eigentlich wollte sie nur einen ganz normalen Daddy, so wie ihre Freundinnen in der Schule.
Eagle spürte, wie der Druck von allen Seiten auf ihn einwirkte. Auf der einen Seite war seine Familie – April und seine Frau, die er so sehr liebte und denen er alles geben wollte. Auf der anderen Seite war sein Job, seine Verpflichtung, die Verantwortung, die er auf seinen Schultern trug und der er nicht entfliehen konnte.
Er hörte April, wie sie ihrer Mutter schluchzend in die Arme fiel und wie diese verzweifelt versuchte, sie zu trösten. Der vorwurfsvolle Blick, den seine Tochter ihm zuwarf, traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht – kühl, durchdringend und voller unausgesprochener Enttäuschung. Seine Frau war sauer - das war offensichtlich und sein Kind in ihren Armen aufgelöst. Sie war noch so jung, und doch musste sie schon so viel Verständnis aufbringen. So hatte er sich den Nachmittag wirklich nicht vorgestellt.
Commander Eagle öffnete die Autotür und stieg aus und ging um den Wagen herum. Sein Instinkt trieb ihn zu April – er wollte sie in den Arm nehmen, ihr versichern, dass alles gut werden würde. Doch bevor er auch nur einen Schritt in ihre Richtung machen konnte, hörte er Isabellas scharfe, flüsternde Stimme.
„Du gehst jetzt besser!“, zischte sie ihm über die Schulter hinweg zu, während sie ihre Arme fester um April schlang. Charles blieb abrupt stehen, ihre Worte trafen ihn. „Aber…“, begann er, die Hand leicht erhoben, als wollte er die unsichtbare Mauer zwischen ihnen überwinden. Doch seine Stimme verstummte, es war die plötzliche Erkenntnis, dass er in diesem Moment vielleicht nicht derjenige war, der April trösten konnte.
Die blonde Frau reichte ihrer Tochter ein Taschentuch mit den liebevollen Worten: „Ich bin gleich wieder bei dir Spatz“, danach schloss sie die Autotür und zog ihren Gatten ein paar Schritte mit sich. „Nichts aber! Habe ich dir nicht gesagt, versprich ihr nichts, was du nicht halten kannst?!“ hagelte es den ersten Vorwurf.
„Isabella, ich konnte doch nicht ahnen, dass…“ wollte er sich erklären, aber sie ließ ihn nicht ausreden.
„Ja, konntest du nicht … oder vielleicht doch!“ Ihre Stimme bebte nun vor Anspannung. „Es kommt dir doch immer wieder der Job in die Quere. Du hast ihr unnötig falsche Hoffnungen gemacht, Charles. Deswegen bin ich sauer auf dich!” Sie schüttelte den Kopf, und der Schmerz in ihren Augen war unverkennbar: „Dieser Tag ist so wichtig für sie. Seit Wochen fiebert sie darauf hin – es gab kein anderes Thema mehr. Sie hat so hart trainiert. Sie wollte dich stolz machen. Immer wieder hat sie mich gefragt: Meinst du, Daddy kann diesmal dabei sein?
Ich hab jedesmal gesagt, dass ich es nicht weiß, aber du alles versuchen wirst, um dabei zu sein um sie anzufeuern. Sie beneidet die anderen Kinder, Charles, deren Väter fast immer dabei sind, die sogar beim Training auf der Bank sitzen um zuzusehen. Wann warst du das letzte Mal dabei?“, stellte sie ihm die Frage, ließ ihn aber auch gar nicht antworten. „Du hättest es ihr nicht versprechen dürfen, Charles.“ Ihr Ton war nun ernster, fast schon flehend, als sie auf das kleine, weinende Mädchen hinter sich im Wagen deutete. „Sieh sie dir doch an! Sie ist vollkommen aufgelöst! Wie soll sie denn jetzt noch vernünftig spielen?!“ Da - der zweite Vorwurf, der noch schwerer wog als der erste und innerlich wusste er, dass seine Frau recht hatte.
Getroffen zog der Commander den Kopf ein und ließ die Schultern hängen. Der sonst so selbstsichere Mann war gerade selbst so geknickt, als seine Frau sich wieder um die gemeinsame Tochter kümmerte und versuchte, sie irgendwie zu beruhigen.
Stillschweigend beobachtete er seine Beiden einen Moment, ehe er sich ein Herz nahm. „April, ….es tut mir leid“, flüsterte er schließlich, aber die Worte fühlten sich unzureichend an. Isabella erhob sich und machte ihrem Mann Platz. Vielleicht konnte er sie halbwegs trösten.
„Nehmt meinen Wagen - dann verliert ihr nicht noch mehr Zeit", richtete er sein Wort an seine Frau, die ihm ohne ein Wort zu nickte, und wandte sich dem Auto zu, bereit, schnell zu handeln, um April doch noch rechtzeitig zum Wettkampf zu bringen.,
Charles atmete tief ein, während er sich langsam vor April in die Hocke begab. Seine Knie knackten leicht, aber er ignorierte es. Er musste jetzt bei seiner Tochter sein, auf Augenhöhe, im wahrsten Sinne des Wortes. Doch April sah ihn nicht an, ihre Augen fest auf den Boden geheftet, als wäre er das Letzte, was sie jetzt sehen wollte. Ihr kleines Gesicht war rot und nass von den Tränen, ihre Schultern zuckten noch immer vor leisen, unterdrückten Schluchzern.
Vorsichtig, beinahe zögerlich, legte Charles seine Finger sanft unter ihr Kinn, berührte sie so leicht, als könnte er sie brechen, und drehte ihren Kopf zu sich. Er wollte, dass sie ihn ansah, auch wenn es ihm das Herz zerriss, ihre verletzten Augen zu sehen. „April,“ begann er leise, seine Stimme so sanft wie möglich, während er tief in ihre großen, traurigen Augen schaute. Sie blinzelte, und noch mehr Tränen rollten über ihre Wangen. „Ich weiß, dass ich dir sehr wehgetan habe,“ fuhr er fort, seine Worte behutsam gewählt, kindgerecht, aber ehrlich. „Und glaub mir, ich würde nichts lieber tun, als jetzt mitzukommen.“ Seine Stimme zitterte leicht, als er den Rest seiner Worte schluckte. Alles in ihm wollte diese Situation ändern, ihr die Welt geben, die sie verdiente. April sah ihn an, ihre Augen voller Schmerz und Enttäuschung, aber sie blieb still. Charles wusste, dass sie ihn hörte, auch wenn sie vielleicht noch zu wütend oder traurig war, um zu antworten.
Er konnte ihr die Enttäuschung nicht nehmen, aber er musste ihr irgendwie zeigen, dass er sie liebte. „Du hast so hart trainiert,“ fuhr er fort, seine Finger noch immer leicht an ihrem Kinn mit seinem Daumen wischte er eine dicke Träne weg, die ihr über ihre Wange kullerte: „Und ich weiß, wie wichtig dir dieser Tag ist. Es tut mir so leid, dass ich nicht da sein kann, um dich anzufeuern. Aber ich will, dass du weißt, dass ich unglaublich stolz auf dich bin. DAS bin ich immer.“ Seine Stimme brach fast bei den letzten Worten, denn er meinte jedes einzelne davon aus tiefstem Herzen.
„Dann komm doch bitte mit...“ Ihre Stimme war so zart, so verletzlich, dass es ihn fast körperlich schmerzte, sie so zu hören. Sie sah ihn mit diesen großen, blauen Augen an, die immer noch voller Tränen waren, und schniefte leise, während sie versuchte, die Fassung zu bewahren. Ihr kleiner Körper bebte noch immer vor den Nachwirkungen des Weinens.
Charles schluckte schwer. Dieser Moment war einer der schwierigsten in seinem Leben. Alles in ihm wollte nachgeben, alles wollte sagen: Ja, ich komme mit. Ich werde alles stehen und liegen lassen, um dich glücklich zu machen. Doch die Verantwortung, die ihm als Commander auferlegt war, hing wie eine bleierne Last auf seinen Schultern.
„Ich kann leider nicht mein Liebling. Ich muss mich darum kümmern, dass es uns allen weiterhin gut geht. Nicht nur uns drein, sondern all den Menschen im Neuen Grenzland". Er strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem verweinten Gesicht. „Das verstehst du doch, oder?", hakte er etwas nach. Er wusste, dass er eine kluge Tochter hatte, die in etlichen Dingen weiter und reifer war als Gleichaltrige, aber jetzt in diesem Moment war sie einfach nur ein enttäuschtes und trauriges kleines Kind, das versuchte zu begreifen aber dennoch einfach ihren Daddy haben wollte.
April nickte tapfer, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Schon … aber ich hab es mir doch so sehr gewünscht, Daddy.“
„Ich hab es mir auch so gewünscht,“ versicherte Charles seiner Tochter, und seine Stimme war voller Aufrichtigkeit. „Wenn es mir irgendwie möglich ist, werde ich versuchen, nachzukommen…“ Er sprach die Worte fast mechanisch, als versuche er, sich selbst davon zu überzeugen, dass er es vielleicht doch noch schaffen könnte. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass es eine Lüge war – eine Lüge, die er schon zu oft erzählt hatte. Der Dienst rief, und dieses Mal war es keine Kleinigkeit.
Isabella, die gerade um das Auto herum zur Fahrerseite gegangen war, verdrehte die Augen und ließ sich auf den Sitz fallen. Dringlichkeitssitzung Stufe 3. Nach all den Jahren an der Seite ihres Mannes, war ihr das mittlerweile auch ein Begriff. Es war ernst – sehr ernst. Aber in diesem Moment wollte sie weder April noch sich selbst zusätzlich belasten, indem sie diese Sorge aussprach. Jetzt zählte nur eins: den Nachmittag zu retten und ihre Tochter so gut wie möglich durch den Wettbewerb zu bringen. Dennoch verärgerte sie, dass Charles es immer noch nicht lassen konnte, Hoffnungen zu wecken, die er nicht erfüllen würde. “Wem will er das eigentlich erzählen?”, fragte sie sich wütend. Sich selbst? Es war, als hätte er einen Automatismus entwickelt, diese falschen Versprechen zu geben, ohne nachzudenken. Isabella konnte es nicht mehr hören. Mit einem lauten Knall schloss sie die Autotür, ihr Geduldsfaden war endgültig gerissen. „Wir müssen!“
„Mon petit papillon…“ sprach er sie mit einem besonderen Kosenamen an, den er für sie hatte. „Auch wenn ich jetzt nicht mitkommen kann, bin ich in Gedanken immer bei dir. Vergiss das nie!“, versicherte er seinem Kind aus tiefstem Herzen. „Du bist gut und du kannst gewinnen. Ich glaube an dich!“, sprach er ihr Mut zu und hoffte, er könnte sie damit auch etwas aufbauen. Noch ein letzte Mal strich er ihr mit dem Daumen über die Wange und erhob sich dann, ehe er die Wagentür schloss.
Einen Moment lang sahen sich Vater und Tochter nur durch die Scheibe an. Dann heulte der Motor auf und der Wagen setzte sich in Bewegung. April kletterte aus ihrem Kindersitz und drehte sich um, um ihren Vater noch durch das Heckfenster zu sehen. Die Strecke, die der Wagen fuhr, schien endlos und doch so quälend kurz. Er hatte das Gefühl, noch etwas sagen zu müssen, etwas tun zu müssen – aber es war zu spät. Alles war zu spät.
Dann sah er es. April hob eine Hand, ein kleines, schüchternes Winken, das durch das Fenster kaum sichtbar war, doch er sah es. Es war kein fröhliches Winken, eher ein stilles, unsicheres Zeichen, als ob sie selbst nicht wusste, ob sie sich überhaupt verabschieden sollte oder durfte. Charles konnte nur dastehen und zusehen, unfähig zu reagieren, während der Wagen auf die Schranke zufuhr. In seinem Kopf schrie er nach einer letzten Geste ein Wort, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Seine Füße waren wie in Beton gegossen. Der Wagen fuhr unter der sich langsam öffnenden Schranke hindurch und bog um die Ecke. Passend zur Situation öffnete der Himmel seine Schleusen. Ein plötzlicher Wolkenbruch setzte ein und prasselte geräuschvoll auf das Parkhaus und die Straße vor ihm nieder. Der Regen fiel schwer und unaufhörlich, als wollte er alles fortwaschen – die Schuld, die Trauer, die unausgesprochenen Worte. Sein Blick verweilte noch einige Augenblicke auf der leeren Straße, wo der Wagen gerade verschwunden war.
Yuma City versank im Regen, und mit ihr versank auch Charles in einer bedrückenden Leere, während er ins Oberkommando zurückging. Seine Gedanken hingen an diesen traurigen Kinderaugen, die sich bei ihm einbrannten und ihn schlecht fühlen ließen.
- Rückblick Ende -
Colt nickte verstehend. „Oh ja, solch traurige Augen eines Kindes treffen einen direkt mitten ins Herz. Joshuas Blick ging mir auch durch Mark und Bein, und verfolgt mich ständig“, berichtet der Amerikaner. Er konnte sich gerade auch sehr gut in die Gefühlswelt des Kommanders hineinversetzen.
„Ich werde nie die Tränen meiner Tochter an diesem – für sie so wichtigen – Tag vergessen. Ich liebe meinen Job Colt, aber in solchen Momenten habe ich ihn verflucht und gehasst.“ Colt war überrascht von der Offenheit, doch er konnte Eagle diese Worte nicht übelnehmen. Auch er hatte seinen Beruf verflucht, vor allem jetzt, wo er ihn ans andere Ende des Grenzlandes geführt hatte und er seine Liebsten nicht beschützen konnte.
Einen Moment schwieg der Franzose, seine Augen ruhten auf dem tiefroten Inhalt seines Weinglases. Langsam schwenkte er es, und sein Blick folgte den kleinen Strudel, der sich in der Mitte bildete.:
„Es war das letzte Mal, dass ich Isabella lebend gesehen habe….“
Langsam drehte er das Handgelenk seiner freien Hand, sein Blick fiel auf den goldenen Ehering, den er seit jenem Tag nie abgelegt hatte. Der Ring, der einst ihr Ehegelübde besiegelt und sie für immer verbunden hatte, schien nun schwerer zu wiegen – als Symbol einer verlorenen Zeit, die er nicht zurückholen konnte.
Nicht nur Charles spürte den dicken Klos im Hals, der mit den Erinnerungen wieder aufstieg. Auch sein Gegenüber kämpfte mit einem ähnlichen Gefühl. Sich auch noch im Streit oder in schlechter Stimmung zu trennen, war eine Qual. Trotz des Altersunterschieds von einer ganzen Generation waren die beiden Männer in diesem Moment durch ihre Schicksalsschläge enger verbunden, als Worte es ausdrücken konnten. Colt konnte mitfühlen. Er war dankbar, dass er sich von seinen Eltern im Guten verabschiedet hatte. Wäre es anders gewesen, hätte ihn die Last vermutlich zerdrückt.
“Das Leben kann von einem Moment auf den anderen enden. Es wendet sich in Sekundenbruchteilen”, sagte der Ältere zu ihm. „Drum trenn dich niemals im Streit von jemandem, der dir wichtig ist, Colt", gab ihm der Kommandant als väterlichen Rat. „Man weiß nie, ob man sich nochmals wiedersieht.“
Erneut nickte Colt verstehend und wischte sich einmal übers Gesicht. Nun verstand er auch, dass Eagle vermutlich ebenfalls von schweren Selbstvorwürfen geplagt worden war. Wie hatte er es geschafft, davon nicht verrückt geworden zu sein?
„Durch die Dringlichkeitssitzung kamen keine zivilen Informationen zu uns durch und da auch Miss Miller in ihrer Position als Protokollführerin anwesend war, erhielt ich die Nachricht, dass die Beiden einen Unfall hatten und sich der Wagen überschlagen hatte, erst einige Stunden später“.
Colt malte sich innerlich das Szenario aus. Da sitzt der Stab selbstlos zusammen und versucht die Menschheit zu schützen und draußen, auf einer normalen Straße bei einer simplen Autofahrt wird einem die Familie genommen. Unmenschlich!
“Aber Moment!“, riss es ihn plötzlich aus den Gedanken. „April war ja mit im verunglückten Wagen?!“, fragte er schockiert. Nie hatte er davon bisher gehört gehabt.
„Ja…. Sie muss eine Armee von Schutzengeln gehabt haben“, sprach Charles mit leicht glasigem Blick. „Vermutlich weil sie hier in der Welt noch eine Aufgabe zu erfüllen hatte“, sprach er aus, was ihm immer wieder durch den Kopf geschossen war. Vielleicht war es die Erfindung von Ramrod, mit der das Oberkommando und die Star Sheriffs so viel Unheil von Millionen von Menschen im neuen Grenzland abhalten haben können. Oder sollte sie einfach nur da sein, damit er nach dem Verlust seiner Frau nicht völlig durchdrehte und sich gar selbst etwas antat? Egal warum - er war von ganzem Herzen dankbar, dass sie ihm geblieben war.
„Hätte mir das Schicksal auch noch mein Kind geraubt - Colt - ich glaube, ich würde heute nicht hier sitzen!“, so offen und direkt hatte der Commander es nie ausgesprochen und der Cowboy hatte seinen Vorgesetzten bisher noch nie so offen und direkt über seine privaten Gefühle reden hören. Auch heute spürte der Ältere, wie sich sein Herz zusammenzog und ihm das Atmen schwer fiel.
“In einer Pause überbrachte man mir die schreckliche Nachricht. Mit einem Moment blieb die Welt stehen“, erzählte Charles weiter. Er erinnere sich, wie ihm damals die Beine weggesackt waren und wenn nicht General Whitehawk und sein Vertreter Commander Soul so blitzschnell reagiert und ihn gestützt hätten, hätten seine Knie vermutlich den Dienst ganz quittiert.
Die Enge in seiner Brust, die er damals spürte, spürte Eagle auch jetzt wieder. Oft hatte er nicht über diesen einschneidenden Tag erzählt und er merkte, wie es ihn auch heute noch mitnahm.
„Zu dem Zeitpunkt wusste ich aber nur, dass die beiden einen Unfall hatten. Wie schwerwiegend es letztendlich sein würde, ahnte ich da noch nicht.“
Colt ließ seinen Vorgesetzten einfach weiter erzählen und hörte aufmerksam zu. Vielleicht war der heutige Abend nicht nur ein Abend, den er selbst gut brauchte, um zu verarbeiten, was geschehen war, vielleicht aber auch ein Abend den sein Chef mit seiner Lebensgeschichte brauchte. Hatte er sich je so geöffnet, wie er es jetzt gerade tat? Vermutlich nicht und daher sollte er es sich einmal von der Seele reden. Es tat ihnen Beiden gut.
„Die Sitzung wurde unterbrochen, der Stab gab mich unter diesen Umständen sofort frei und tagte später ohne mich fort. Man ließ mich nicht mehr hinters Steuer und fuhr mich direkt ins Krankenhaus. Während der schier unendlichen Fahrt, betete ich, dass den Beiden nicht viel passiert sein möge.
Aber ich kam zu spät…" der Commander schluckte und es herrschte Stille im Raum.
Colt wusste gerade nicht, was er sagen oder tun sollte. Für einen Moment beobachtete er seinen Vorgesetzten nur. Gerade sah er nicht, den selbstbewussten, breitschultrigen Offizier vor sich, der er sonst war - nein, er sah einen trauernden und gebrochenen Familienvater. Wie lange die beiden Männer geschwiegen hatten, wussten sie nicht. Aber es tat ihnen beiden gut auch zusammen schweigen zu können.
Irgendwann formten sich in des Cowboys Lippen die Worte.: „Es tut mir sehr leid zu hören, wie Sie Ihre Frau verloren haben, Charles.“
Der Angesprochene nickte und sah seinen Besuch an: „Danke, mein Junge.“
“Es ist so grausam, sich nicht mehr von der Frau, die man es liebt, verabschieden zu können“. Zwei Männer - verschiedene Generationen und doch im Leid verbunden.
„Ja, so viele Dinge waren noch unausgesprochen. Wie du vermutlich auch bei Robin, hätte ich Isabella noch so viel sagen wollen und vor allem mich dafür entschuldigen, was zuvor passiert war. Aber ich konnte nicht mehr…“ Der Texaner spürte, wie diese Tatsache sein Gegenüber bis heute beschäftigte und scheinbar innerlich zerfraß. Auf der einen Seite war es ein Trost, verstanden zu werden, auf der anderen Seite machte es Colt Angst, noch in vielen Jahren genauso zu leiden.
- Rückblick -
Charles wusste nicht, wie lange er schon am Totenbett seiner geliebten Frau gesessen und geweint hatte. „Es tut mir… tut mir so leid...“ schluchzte der sonst so starke Mann, mit gebrochener Stimme und Herzen.
Seine Augen brannten, und waren geschwollen von den Tränen, die er nicht mehr zurückhalten konnte. Noch immer hielt er Isabellas zarte Hand in seiner, strich sanft mit seinem Daumen über ihren Handrücken.
Als er angekommen war, war ihr Körper bereits kühl, doch jetzt, während er sie berührte, spürte er, wie sie immer kälter und starrer wurde. Eine versorgte Platzwunde prangte an ihrer Stirn, zahlreiche Hämatome zogen sich über ihren Körper. Behutsam strich er mit seinen Fingern durch ihr langes Haar, das er immer so sehr geliebt hatte. Er beugte sich zu ihr hinunter, um ihren vertrauten Duft noch einmal einzuatmen, doch eine beißende Rauchnote mischte sich darunter. Hatte sein Wagen gebrannt? Er wusste ja immer noch nicht, wie es zum Unfall gekommen war.
Trotz der Wunden und blauen Flecken lag ein friedlicher, fast gelöster Gesichtsausdruck in ihrem Gesicht. „Hoffentlich hat sie nicht viel gelitten“, dachte er sich. Selbst nach all der Angst, die sie sicher um sich und ihr Kind gehabt haben musste, und trotz der Schmerzen, die sie ertragen hatte, war sie immer noch so wunderschön, wie er sie in Erinnerung hatte. Dieser kleine Trost war alles, was ihm jetzt noch blieb.
Bilder der Vergangenheit spielten sich in seinem Kopf wieder. Ihr erstes Aufeinandertreffen. Wie sehr ihn schon damals mit ihrem verführerischen Lächeln und dem lange Haar verzaubert hatten. Sie stach unter all den anderen Frauen heraus. Er erinnerte sich, wie aufgeregt er damals als junger Mann gewesen war, als er allen Mut aufgebracht hatte, sie endlich anzusprechen und wie überglücklich er gewesen war, als er keinen Korb von ihr bekommen hatte. Doch nun lag sie hier vor ihm: kalt und leblos. Nie mehr würde er sich an ihrem Lächeln erfreuen können. Nie wieder ihre Stimme hören, nie wieder von ihr berührt werden. Er wollte das alles gar nicht wahrhaben.
In ihm brach eine Welt zusammen. Seine Welt war stehen geblieben. Er hatte das Gefühl, sein eigenes Herz schlug nicht mehr und war mit ihr gegangen. Mit zitternden Fingern strich er ihr sanft über die blasse Wange und erschrak fast, wie kalt ihre Haut inzwischen war. Die Kälte ihrer Haut ließ ihn erschauern, und instinktiv zuckte er zurück. Seine Berührung war zart. Sie wirkte so klein, so zerbrechlich, als wäre sie ein Hauch, der sich jeden Augenblick auflösen könnte.
Eine Welle der Verzweiflung durchfuhr ihn, als die Realität ihn mit voller Wucht traf. Hätte dieser verdammte Job ihn nicht aufgehalten, wäre das entweder gar nicht passiert, oder er wäre zumindest bei seinen beiden Liebsten gewesen.
Wäre diese verfluchte Sitzung nicht gewesen, hätte er die Nachricht eher erhalten, hätte noch an ihrer Seite sein können, bevor sie die Augen für immer geschlossen hatte. Es war ein bitteres „Was wäre, wenn“, das ihn zerriss. Die Uhrzeit, die Sekunden, die Minuten, all das drehte sich in seinem Kopf, und er konnte die Abfolge der Ereignisse kaum ertragen. Er wollte schreien, wollte all diese ungerechten Umstände in die Welt hinausschreien.
Es war nicht fair. Nichts an diesem Moment war fair. Er hatte noch so viele Pläne mit ihr! Er sah sie vor sich, wie sie zusammen auf der Veranda sitzen, oder wie sie gemeinsam in den Sonnenuntergang gehen. Er wollte mit ihr alt werden, sie an seiner Seite wissen, für immer. Warum, verdammt noch mal, wurde sie ihm genommen? Sie war noch so jung, so voller Leben, und vor ihnen hätten noch Jahrzehnte gelegen—Jahrzehnte, die sie gemeinsam hätten verbringen sollen. Doch nun schien ihm all das wie ein zerbrochener Traum, der sich kalt in seinen Händen auflöste und nur die Scherben der Erinnerung zurückließ.
Das Krankenhauspersonal hatte den Raum nach seiner Ankunft verlassen und gab dem Commander die Zeit, die er brauchte, um sich von seiner Frau zu verabschieden. Es war wichtig für den Trauerprozess, dass man ihm diese Zeit gab.
Man hatte ihm gesagt, dass April gerade noch im OP war und dass man ihm Bescheid geben würde, wenn diese beendet wäre. In seinem Inneren tobte ein Sturm aus Angst und Ungewissheit. Unaufhörlich spielten sich in seinem Kopf die schlimmsten Szenarien ab, die ihn wie kalte Schauer durchfuhren. Was war nur passiert? Warum musste es ausgerechnet sie treffen? Eiskalt war ihm geworden, als er daran dachte, dass April sich bei der Abfahrt umgedreht hatte und somit nicht angeschnallt gewesen war. Was, wenn sie es beim Unfall ebenfalls nicht war? „Nein, das durfte nicht sein!“, flüsterte er leise, als könnte er damit die Realität ändern. „Bitte nehmt mir nicht auch noch mein Kind!“
Seine Stimme zitterte, und seine Hände, die sich in das Leder der Stuhllehne krallten, schienen ihm nicht mehr zu gehören. Noch nie zuvor hatte er sich so hilflos, so ohnmächtig gefühlt. Um nicht vollkommen den Verstand zu verlieren, versuchte er sich selbst zu beruhigen, sich einzureden, dass seine Frau immer gewissenhaft war, und sie sicher darauf bestanden hatte, dass April sich wieder anschnallt, nachdem sie außer Sichtweite gefahren waren. Das musste so sein. Immer wieder wiederholte er diese Gedanken, klammerte sich daran wie an einen Strohhalm, der ihn vor dem Ertrinken bewahren sollte.
April war doch sein „kleines Mädchen“ und er hatte sie nicht beschützen können! Jetzt war sie hier, in einem Krankenhaus. Sicher hatte sie große Angst und Schmerzen. Und er war nicht da gewesen! Ein Krankenhaus, der Unfall, der Schock, die Mutter nicht da, viele fremde Menschen, die an Ihr rumdokterten. Das Mädchen hatte außer bei ihrer Geburt nie im Krankenhaus gelegen. Es muss beängstigend sein, fühlte er sich ja auch mehr als unwohl in solchen Gebäuden. Er hatte sein Kind nicht trösten und gut zureden können. Er hatte nicht ihre kleine Hand halten können. Er wusste genau, wie viel Angst sie vor Spritzen hatte und er war nicht da gewesen, um ihr beizustehen! Ihre Mutter konnte nicht für sie da sein und auch er nicht. Sie - das kleine Kind - nach einem schrecklichen Unfall - komplett allein. Was hatte sie mitbekommen? Wusste sie, dass ihre „Maman“ schwer verletzt war oder gar gestorben ist? Es zerriss ihn innerlich. DAS war doch die große Aufgabe eines Vaters: für sein kleines Mädchen da zu sein und jedes Unheil von ihr abzuwenden! Er fühlte sich als Versager und betete nur inständig, dass der liebe Gott nicht auch noch sein Kind zu sich holen würde. Und wenn sie hoffentlich überlebte - wie sollte er ihr beibringen, dass ihre „Maman“ nicht mehr da war?
April war gerade neun Jahre geworden und jetzt bereits schon Halbwaise. Und wie um alles in der Welt sollte er seine Tochter alleine großziehen? Und dann auch noch mit seinen Verpflichtungen? Er wurde April ja jetzt schon nicht gerecht, musste sie oft allein und zurückstecken lassen. Und nun war ihre Mutter und wichtigste Bezugsperson für immer weg! Wie sollte es weitergehen? Wie sollte er das überhaupt schaffen?
Außerdem: Er war doch der Mann mit dem gefährlichen Beruf! Ihm hätte schon als einfacher Soldat bei unzähligen Schlachten etwas passieren können. Während seiner ganzen militärischen Laufbahn und auch jetzt als wichtiges Mitglied des Stabs war die Gefahr allgegenwärtig. Er hatte doch die Gefahr im Militär täglich um sich, aber doch nicht seine Frau - eine einfache Wissenschaftlerin! Warum Sie? Tausende Fragen schossen ihm durch den Kopf. Genauso viele Bilder tanzten vor seinen Augen und trieben ihn fast in den Wahnsinn. Die Luft flimmerte nur noch vor sich, seine Sicht war trüb, vor Gewissensbissen, Zukunftsangst und Trauer.
Er fühlte sich völlig überfordert und erschlagen von der Situation. So viele Fragen blitzten durch seinen Kopf. Gleichzeitig keimte Wut auf. Wut auf sich selbst, Wut auf die Situation und ein klein bisschen Wut auch auf seine Frau: warum hatte sie ihn allein gelassen? Auch wenn er natürlich wusste, dass es blödsinnig war, deshalb auf Isabella wütend zu sein.
Nach einer Weile ging leise die Tür auf und eine Krankenschwester trat vorsichtig an den Trauernden heran, der seinen Kopf neben den seiner Frau vergraben hatte und seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Sanft legte sie dem Mann die Hand auf die Schulter. „Commander Eagle?“, sprach sie mit vorsichtiger, geschulter Stimme.
Dieser erschrak kurz und versteifte sich. „Sir…. Ich habe gerade eine Rückmeldung bekommen, dass die OP gut verlaufen ist. April wird gerade fertig gemacht und kommt danach zur Überwachung auf die Intensivstation“, teilte sie ihm ruhig mit. „Ich glaube, es wäre gut, wenn sie bei ihr sind, wenn sie aufwacht.“
Die Anspannung, die sich wie ein Blei auf seine Schultern gelegt hatte, ließ endlich ein wenig nach. Mit einem tiefen, hörbaren Ausatmen entwich ein Teil der Last, die ihn in den letzten Minuten? Stunden? So bedrückt hatte. Doch innerlich fühlte er sich noch immer wie ein gespanntes Seil, das jeden Moment zu reißen drohte. Ein Zittern durchzog seinen Körper, obwohl er äußerlich versuchte, die Fassung zu bewahren.
„Gott Sei Dank...", murmelte er leise, als müsste er es erst für sich selbst aussprechen, um es wirklich zu glauben. Seine Stimme klang so brüchig, dass es ihm fast den Atem raubte. Dann hob er den Blick zur Krankenschwester: „Danke Schwester“, fügte er diesmal lauter hinzu, doch seine Stimme klang hohl, als ob die Worte nichts von der inneren Zerbrochenheit aufhalten könnten. Die Erleichterung war aufrichtig, ja – er würde sie gleich sehen dürfen, aber tief in ihm brodelte eine Panik, die sich langsam in seiner Brust ausbreitete und drohte, ihn zu ersticken.
„Wie soll ich meiner Tochter nur erklären, dass ihre Mutter nicht mehr da ist?“, brachte er schließlich hervor, seine Stimme brach und war von Verzweiflung durchdrungen. Die Worte hingen in der Luft, er selbst war doch noch nicht fähig, sie zu begreifen, wie sollte das erste ein Kind schaffen? Die Angst umschloss ihn, wie ein eiskalter Schauer und setzte sich in seinen Knochen fest, und mit ihr kam die lähmende Erkenntnis: Er wusste nicht, wie er April sagen sollte. Wie sollte er auch etwas in Worte fassen, für das er selbst noch nicht bereit war, es auszusprechen? Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen, Die Schwester setzte sich schweigend neben ihm. Er schloss seine Augen, die hinter seinen Lidern brannten. Alles um ihn herum verschwamm in salzigen Tränen, der Schmerz drückte auf seine Brust, die Welt schien stillzustehen. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, konnte nicht verstehen, wie das alles so plötzlich geschehen war.
Rückblick Ende -
„Ich weiß nicht, wie lange ich dort noch mit dieser Krankenschwester geredet habe“, gestand Eagle. Sie hat mir durch die bloße Anwesenheit und ihre ruhige Art die Kraft gegeben, diesen schweren Gang schließlich zu gehen. „Ich kann dir aber auch nicht mehr sagen, wie ich damals zu Aprils Zimmer gekommen bin. Es ist, als hätte sich ein Schleier des Vergessens darüber gelegt. „Ich weiß nur noch, dass dieser Gang der wohl Schwierigste in meinem Leben war“, reflexartig legte der Witwer seine Hand auf sein schmerzendes Herz. Er wusste nur, wie sehr es ihn damals zerrissen hatte, seinem kleinen Mädchen diese schlimme Botschaft überbringen zu müssen. Sie hatte sich ebenfalls nicht verabschieden können und das quälte April ebenfalls lange Zeit, wie ihren Vater.
„Das kann ich gut verstehen, vor allem, wenn man sich im Streit trennt und danach nicht mehr miteinander reden kann“, sagte der Star-Sheriff. „Ich bin mir sicher, Ihre Frau hätte Ihnen bestimmt noch vieles sagen wollen.“
Eagle räusperte sich, um die aufsteigenden Emotionen im Zaum zu halten, während Colt die Worte auf sich wirken ließ. Der Raum schien immer stiller zu werden, bis der Hausherr sein Glas leerte und den Blick in die Ferne richtete.
„Ich weiß, dass diese Liebe noch existiert,“ begann er mit ruhiger Stimme, die dennoch die Tiefe seines inneren Schmerzes erahnen ließ, „auch wenn meine Frau nicht mehr an meiner Seite ist.“ Seine Augen begannen leicht zu glänzen, doch seine Haltung blieb gefasst: „In meinem Herzen trage ich alle Erinnerungen an Isabella. Die unvergesslich schönen Zeiten, die uns als Paar, aber auch als Eltern geschenkt waren.“
Colt blickte zuhörend zu Eagle, der kurz innehielt, als würde er die Bedeutung jedes Wortes in sich sacken lassen, bevor er weitersprach. „Ich bin dankbar für die vielen glücklichen Jahre, die uns gemeinsam geschenkt worden waren. All die unvergesslichen Augenblicke, Erlebnisse und Ereignisse... Ich möchte keinen davon missen.“ Eagle ließ eine kurze Pause entstehen, bevor er mit leiser Nachdenklichkeit weitersprach. „Sie wiegen so viel mehr als die kleinen Momente des Streits oder Unverständnisses. Und auch die unzähligen Male, in denen wir füreinander da waren, füreinander eingestanden sind und zusammengehalten haben, überstrahlen alles und zählen am Ende so viel mehr.“
Colt konnte die Tiefe dieser Worte spüren, die Ehrlichkeit und den Schmerz, aber auch die Hoffnung, die Eagles Stimme durchzog. Eagle atmete tief durch, als er den letzten Teil seiner Gedanken formulierte. „In manchen Momenten ist es mir, als spüre ich ihre Anwesenheit. Das gibt mir Trost und Kraft. Gerade während meiner Entführung und Gefangenschaft... da war etwas. Etwas, was mich, neben den Gedanken an meine Tochter, durchhalten ließ. Vielleicht war es nur eine Einbildung, aber es half mir, diese schwere Zeit zu überstehen.“
„Aber irgendetwas – oder jemand – war da. Etwas Größeres als ich selbst, etwas, das mir den Mut gab, weiterzumachen, wenn die Hoffnung schwand. Und auch jetzt, wenn ich an Isabella denke, weiß ich, dass sie nicht verloren ist. Sie lebt weiter – in meinen Erinnerungen, in unserem Kind... und vielleicht auch durch Gottes Hand.“
Colt nickte bedacht in sich hinein, die Stille, die danach eintrat, fühlte sich nicht leer an, sondern erfüllt von dem, was Eagle in Worte gefasst hatte: Liebe, Hoffnung und der Glaube, dass es etwas Höheres gibt, das über allem wacht.
„Ich kenne das Gefühl“, warf Colt ein, seine Stimme war ruhig, fast nachdenklich. Er blickte Eagle an, der ihn aufmerksam musterte, und wusste, dass es keinen Grund gab, den Commander für seine Worte zu verurteilen. „Ich bilde mir ein, dass ich in kritischen Situationen meine Eltern auch gespürt habe.“
Colt hielt kurz inne, als die Erinnerung ihn einholte. Es waren Momente, in denen er am Abgrund gestanden hatte – verzweifelt, unsicher, fast bereit aufzugeben. Und genau dann, wenn es am dunkelsten schien, war da diese seltsame, unerklärliche Präsenz gewesen. „Es ist schwer zu beschreiben“, fuhr er fort. „Es fühlt sich nicht an, als wären sie wirklich da, aber irgendwie... als ob auf mich aufgepasst wird. Es gibt mir Kraft, genau wie bei Ihnen.“
Eagle nickte langsam, ein stummes Einverständnis. Beide Männer hatten ähnliche Erfahrungen gemacht, die sich nicht einfach erklären ließen. Doch der Schmerz war gleich. Ob es wirklich ihre verstorbenen Liebsten waren oder eine Art göttliches Eingreifen, das wussten sie nicht. Doch in solchen Momenten fühlte sich das Unerklärliche weniger fremd an, als sie es sich hätten vorstellen können. Der Glaube, dass sie nicht allein waren, half ihnen, weiterzumachen.
„Vielleicht ist es auch Gottes Art, uns zu zeigen, dass wir nie wirklich alleine sind“, sagte Colt schließlich leise und lehnte sich nun auch zurück. Seine Augen blickten ins Leere, doch in seinen Gedanken spielte sich ein anderes Bild ab – Momente der Freude mit Robin, die plötzlich aufstiegen wie längst vergessene Funken. Ihr Lachen hallte durch seine Ohren, er schloss seine Augen. Er sah sie wieder vor sich: voller Leben, mit diesen strahlenden Augen, die alles um sie herum erhellte. Die Erinnerungen trafen ihn zuerst mit dem gewohnten Schmerz der Trauer, einem tiefen Ziehen, das sich nicht so leicht abschütteln ließ. Aber diesmal war da auch etwas anderes. Etwas Neues. Eine leise, warme Welle von Dankbarkeit.
Dankbarkeit für die Zeit, die sie miteinander gehabt hatten. Für all die Momente, in denen sie füreinander da gewesen waren. Die stillen Abende, an denen Worte nicht nötig waren, und die lauten Tage, an denen sie vor Glück die Welt vergessen hatten. Robin war nicht mehr da, und der Verlust saß tief, aber in diesem Augenblick wurde Colt klar, dass die Trauer nicht das Einzige war, das er in seinem Herzen trug. Es war auch die Erinnerung an das Glück, das sie geteilt hatten. Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen, kaum merklich, doch es war da, es war die Gewissheit nie wirklich allein zu sein. Eine Träne lief ihm über seine Wange, als er wieder seine Augen öffnete. Er wusste, diese Dankbarkeit würde ihm Kraft geben, Kraft sich um das zu kümmern, was Robin am wichtigsten war, Joshua.
So sprachen beiden Männer noch eine Weile darüber, wie Charles den plötzlichen Verlust seiner Frau überstanden hatte und wie er aber auch von jetzt auf gleich alleinerziehend wurde, mit einem Kind, welches damals im fast gleichen Alter wie Josh heute war. Denn das machte dem Cowboy am meisten zu schaffen und dass Josh und er jemals wieder Freude am Leben empfinden konnten, war für ihn einfach unrealistisch. Commander Eagle beschönigte nichts, wie hart es für ihn aber auch April gewesen war. Es hatte lange gedauert, das Trauma der Trauer verfolgte sie viele Jahre. Aber er betonte auch, dass es mit jedem Tag ein klein bisschen besser wurde. Ja, es gab auch Rückschläge, schlimme Phasen wieder zwischendurch und auch das wollte er Colt nicht vorenthalten. Es gab auch Phasen, als seine Tochter mit der Situation überfordert gewesen war und ihn weggestoßen hatte, was ihn innerlich fast zerrissen hatte. Aber auch das hatten sie gemeistert. Manchmal waren es nur kleine Schritte und viel Zeit - aber es wandte sich alles zum Guten. Und das würde auch bei ihm so sein, versicherte ihm der Ältere.
Die Zeit verging wie im Flug, und es war längst nach Mitternacht geworden. Zwei Flaschen guten Wein hatten die beiden Männer geleert, der ihnen jetzt doch langsam in den Kopf stieg.
Colt gähnte herzhaft und steckte seinen Vorgesetzten fast damit an. „Ich sollte besser ins Quartier“, kommentierte ein müder Cowboy. Ein Blick auf die Uhr verriet dem Hausherren, dass sie sich verzettelt hatten. Aber es hatte einen guten Grund und Beide profitieren von diesem offenen Abend. Es waren anstrengende Stunden gewesen, aber auch sehr lehr- und hilfreich für den jungen Mann.
„Du fährst heut’ nirgends mehr hin, mein Junge!“, entgegnete Eagle freundlich aber bestimmt. „Das war ein bisschen zu viel…“ Er deutete auf die leere Flasche vor sich. „Du kannst oben in eines der Gästezimmer“, kam er seiner Fürsorgepflicht nach. Colt war müde und neben dem intensiven Abend tat der Alkohol sein Übriges. Er sehnte sich danach, sich auszustrecken.
Und so widersprach er dem Angebot nicht; dankte dem Gastgeber für den Abend und die Übernachtung, ehe er sich dann das Zimmer für heute Nacht zeigen ließ. Der Witwer zeigte ihm noch das angrenzende Bad und teilte ihm noch mit, dass er sich bitte wie zuhause fühlen sollte, ehe sich auch der Commander in sein eigenes Zimmer begab.
Das gemütliche Bett im geräumigen Zimmer war mehr als einladend und so dauerte es auch nicht lange, bis Colt sich nach einer kurzen Stippvisite am stillen Örtchen unter die Decke legte und nach wenigen Minuten in einen tiefen Schlaf fiel.
Commander Eagle saß auf seiner Seite des Ehebettes, die Stille des Raumes war schwer, aber vertraut. Mit langsamen, bedächtigen Bewegungen nahm er das gerahmte Bild vom Nachttisch und hielt es vor sich. Fast zärtlich strich er mit den Fingerspitzen über das abgebildete Gesicht, als könnte er die sanften Züge seiner Frau durch das Glas hindurch spüren. Isabella. Selbst jetzt, nach all den Jahren, brachte ihr Anblick sein Herz zum Schwingen. Sie war nicht mehr hier, aber sie war auch nie wirklich fort. Nicht in ihm.
Seine Gedanken versanken abermals in Erinnerungen, während er das Bild betrachtete. Er sprach kein Wort laut aus, aber in seinem Inneren führte er ein stummes Gespräch mit ihr – wie er es oft tat, wenn die Einsamkeit zu groß wurde. „Weißt du noch?“, flüsterte seine Seele, „Die Sommerabende auf der Veranda? Das Lachen unserer Tochter? All die kleinen, unscheinbaren Momente, die das Leben so unendlich wertvoll gemacht haben?“
Er senkte den Kopf, und für einen kurzen Augenblick schloss er seine Augen. „Ich hoffe, du schimpfst nicht zu sehr über mich“, dachte er, „auf das, was ich versuche zu sein, ohne dich. Es ist schwer, aber ich gebe nicht auf.“ Sein Daumen verweilte auf dem Bildrand, und Tränen schimmerten in seinen Augen, doch sie fielen nicht. Stattdessen erfüllte ihn ein Gefühl, das ihn gleichzeitig schmerzte und tröstete: Liebe. Unendliche Liebe, die den Tod überdauert. Eine Liebe, die nicht vergeht, selbst wenn der Mensch, den man liebt, nicht mehr da ist. „Ich vermisse dich“, gestand er ihr in Gedanken und öffnete seine Augen, wo sich in dem Moment seine Tränen lösten. Und er stellte das Bild zurück auf den Nachttisch, nahm einen tiefen Atemzug und legte sich ins Bett.
Die Leere neben ihm würde nie verschwinden, doch er wusste, dass sie in seinen Erinnerungen und in seinem Herzen immer bei ihm war. In die Dunkelheit flüsterte er noch einmal ganz leise: „Bis bald, meine Liebe.“ Dann schloss er die Augen.
"Ja ist es denn die Possibility?!" 😉